Steinewerfer von Erlangen zu Haftstrafen verurteilt
25.2.2019, 14:49 UhrDie Absicht, Menschen zu töten, unterstellt die Jugendkammer I des Landgerichts Nürnberg-Fürth den beiden Angeklagten nach sechs Verhandlungstagen und einer aufwendig geführten Beweisaufnahme nicht – doch die Richter stellen auch fest, dass die beiden Heranwachsenden damit gerechnet hatten, dass sie Fahrzeuge treffen würden und dass Menschen ums Leben kommen könnten: Aus juristischer Sicht eine heimtückische Attacke auf arg- und wehrlose Opfer, das Urteil lautet daher auf versuchten Mord in sechs Fällen, vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr, Sachbeschädigung und vorsätzliche Brandstiftung.
Der 20-Jährige muss vier Jahre Jugendstrafe verbüßen, der 17-Jährige kommt dreieinhalb Jahre in die Jugendhaft, bei beiden werden bereits früher verhängte Strafen einberechnet. Die Jugendkammer ist überzeugt, dass die beiden jungen Männer am 8. Mai 2018, kurz vor 23 Uhr, in Erlangen-Eltersdorf Plastersteine auf einen Regionalzug schleuderten.
Und die beiden hörten auch nicht auf, als sie drei Scheiben zerstört und einen Sachschaden von 3500 Euro angerichtet hatten. Dann warfen sie Steine von einer Autobahnbrücke auf die A3, schließlich entwendeten sie aus einer Gärtnerei in Baiersdorf Plastersteine und schleppten diese hoch zur Autobahnbrücke der Erlanger Straße, die über die A73 führt.
Einer der Angeklagten schwieg, der andere äußerte sich
Die Steine, laut den Ermittlungen zwischen einem und dreieinhalb Kilo schwer, stießen sie über die Brücke. Und als sie dort auf einer Baustelle Euro-Holzpaletten fanden, warfen sie diese auch noch hinterher. Was sie motivierte, wisse er selbst nicht, hatte der 20-Jährige zu Prozessbeginn erklärt. Der 17-Jährige nutzte dagegen sein Recht zu schweigen, und äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.
Die Taten hatten die Öffentlichkeit erschüttert, doch Zuschauer wurden ausgeschlossen, und die Öffentlichkeit blieb auch noch außen vor, als das Urteil "Im Namen des Volkes" verkündet wurde. Dafür braucht es gewichtige Gründe: Aus Gründen des Jugendschutzes fand der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der 17-Jährige soll eine auffällige Persönlichkeit haben, lebt in einem kleinen Dorf im Landkreis Erlangen und soll nicht stigmatisiert werden.
Mindestens fünf Jahre Haft wurden für Steinewerfer gefordert
Um dennoch für Transparenz zu sorgen, wurde Justizsprecher Friedrich Weitner als Zuschauer zugelassen. Der Staatsanwalt hatte mindestens fünf Jahre Jugendhaft für jeden der beiden Angeklagten gefordert, die Verteidigung hielt zweieinhalb Jahre Freiheitsstrafe für den 20-Jährigen für ausreichend, für den 17-Jährigen wurden 23 Monate Jugendstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, beantragt.
Der 17-Jährige hatte in der Hauptverhandlung über seinen Rechtsanwalt behauptet, nur einen Stein auf einen Zug geschleudert und Euro-Paletten auf eine Brücke getragen zu haben, dabei hatte er nach seiner Festnahme bei der Kripo noch Steinwürfe eingeräumt. Doch da bei der Polizei weder die Eltern noch ein Anwalt anwesend waren, hielt sein Rechtsanwalt (im Gegensatz zum Staatsanwalt) den Inhalt der polizeilichen Vernehmung als Beweismittel für nicht verwertbar.
Den Richtern der Jugendkammer kam es für ihre Urteilsfindung auf diese Frage gar nicht an: Sie folgten dem Geständnis des 20-Jährigen – er hatte geschildert, dass auch sein jüngerer Freund Steine geworfen habe. Überdies habe sich der 17-Jährige durch sein Verhalten nicht von den Taten distanziert. Rechtlich erfülle das Verhalten der Angeklagten den Tatbestand des versuchten Mordes. Tödliche Unfälle wurden durch die Steinwürfe von den Autobahnbrücken auf die A3 und die A73 glücklicherweise nicht verursacht, allerdings hatten mehrere Autofahrer geschildert, bis heute schockiert zu sein. Bereits Tage vor den Steinwürfen hatten die Angeklagten das leerstehende Gebäude einer Düngemittelfabrik angezündet.