Betroffene unterstützen sich gegenseitig
29.5.2011, 17:36 Uhr„Aphasie ist eine Sprachstörung, die Kinder und Erwachsene betreffen kann“, erklärt Claudia Dötzer, die seit fünf Jahren die Aphasiker-Selbsthilfegruppe Forchheim leitet. „Die meisten beschäftigen sich erst damit, wenn sie einen Fall in der Familie haben.“ So war es auch bei Dötzer, deren Mutter nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt war und plötzlich nicht mehr sprechen, laufen und schreiben konnte. „Das ist ein Schlag für jemanden“, resümiert die Oberfränkin. Weitere Auslöser von Aphasien können Gehirnoperationen oder Unfälle sein.
„Die Leute müssen wieder rausgehen und in die Gesellschaft integriert werden – auch wenn sie davor die größte Angst haben“, sagt die Ehrenamtliche. Die Selbsthilfegruppe könne da die Brücke zur Außenwelt bilden. Viele Betroffene schauten sich, wenn sie zum ersten Mal zu einem der allmonatlichen Treffen in die „Villa“ in der Mayer-Franken-Straße kämen, zunächst alles schweigend an, hat Dötzer festgestellt. Beim nächsten Besuch begännen sie dann oft schon zu lachen und erste Worte zu versuchen. „Mit der Zeit werden sie immer lockerer.“
Dötzers Mutter hat dank Krankengymnastik, Ergo- und Sprachtherapie das Laufen, Schreiben und Sprechen neu gelernt. „Die Gruppe hat dabei sehr geholfen“, bilanziert deren heutige Vorsitzende, vermittelten doch die Treffen die Botschaft: „Ich bin nicht alleine – es gibt noch andere, denen es so geht.“ Daneben unterstützen die Aphasiker die Angehörigen zum Beispiel bei der Beantragung von Pflegegeld, Behindertenausweisen und Hilfsmitteln. „Manchmal geht es dabei nur um Kleinigkeiten wie eine Busfahrkarte“, schildert Dötzer. „Aber die stehen den Leuten ja zu.“
Begriff oft unbekannt
Aufklären will auch Alexander Schlote von der Arbeiterwohlfahrt, der 2008 den Selbsthilfetag in Forchheim ins Leben gerufen hat. „Denn viele kennen den Begriff Selbsthilfe gar nicht, geschweige denn die einzelnen Organisationen“, bedauert der Sozialpädagoge. Dabei handle es sich bei den Angeboten, die stets Betroffene für Betroffene organisieren, um eine wichtige Ergänzung der Arbeit von Fachleuten wie Ärzten oder Psychologen. Ersetzen könnten und sollten die Ehrenamtlichen diese freilich nicht, betont Schlote.
Zum ersten Mal bei der Infoveranstaltung in Forchheim dabei ist Sigrid Behm aus Haßfurt, die das „Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt“ (NetzwerkB) vertritt. „Viele Opfer haben erst nach Jahren den Mut, etwas zu sagen, und dann glaubt man ihnen oft nicht“, berichtet die Aktivistin, die vehement gegen den Missbrauch in der katholischen Kirche eintritt und dabei auch vor medienwirksamen Maßnahmen nicht zurückschreckt. So demonstrierte die frühere Krankenschwester unter anderem 2010 vor der Frühjahrsvollversammlung der bayerischen Bischöfe in Vierzehnheiligen mit einem leuchtend roten „Stoppschild für Kinderschänder“.
Beim nächsten Papst-Besuch in Deutschland schwebt Behm vor, einen Heißluftballon mit Missbrauchsopfern abheben zu lassen, allerdings fehlten ihr derzeit noch Sponsoren für die Aktion. Wer angesichts der kämpferischen Natur der Unterfränkin annimmt, nichts und niemand könne sie aus der Bahn werfen, irrt: „Die Fälle sind so schlimm. Ich denke oft, ich breche zusammen und halte das nicht mehr aus.“ Dann sporne sie aber die Not der Opfer, die Wut über eingestellte Verfahren, geringe oder gar nicht gezahlte Entschädigungen und die „Vertuschung“ immer wieder aufs Neue an, berichtet die Gründerin der Selbsthilfegruppe „Mitra-no“ (Missbrauchstrauma-nein).
Einen guten Überblick über Angebote in der Region hat das Selbsthilfebüro Forchheim, das auch bei der Gründung neuer Gruppen hilft. Mehr Infos unter Telefon (09191) 699015 oder www.selbsthilfebuero.de