Brennendes Flugzeug wurde zum Sarg für 52 Menschen
25.3.2011, 17:01 UhrEs ist kurz nach acht Uhr abends, als ein ohrenbetäubendes Geräusch die Ruhe im beschaulichen Oberrüsselbach zerreißt. „Entweder ist ein Sputnik bei uns niedergegangen oder ein Flugzeug abgestürzt“, erinnert sich eine Bewohnerin. Die meisten Oberrüsselbacher hält es nicht mehr in den Häusern.
Auf der Straße sehen die Menschen ein Flugzeug über ihre Köpfe hinwegrasen – es fliegt viel zu tief. „Plötzlich gab es ein Zischen und Knattern und aus der Maschine schoss eine Stichflamme“, beobachtet ein anderer Rüsselbacher. „Wir dachten schon, das Flugzeug würde mitten in den Ort hineinstürzen.“
Gespenstisches Bild
Die Maschine verschwindet aus dem Sichtfeld, kurz darauf vernehmen die Dorfbewohner einen markerschütternden Knall. Die Oberrüsselbacher sind sich einig: „Da müssen wir rauf auf den Berg – das ganze Dorf war im Aufbruch“, erinnert sich später der Landwirt Georg Läufer.
Auf einem Acker, nicht weit außerhalb des Dorfs, bietet sich den Rüsselbachern ein gespenstisches Bild. Riesige Trümmer haben sich im Abstand mehrerer hundert Meter in den Boden gebohrt. „Ceskoslovenska Aerolinia“, ist auf einem der Wrackteile zu lesen. Flammen lodern über den Überresten des Flugzeugs, die Hitze ist beinahe unerträglich. Nach und nach explodieren die grünen und roten Leuchtraketen, die sich an Bord befunden haben. Zwischen den Gepäckstücken, Familienfotos und Pässen, die beim Aufprall aus dem Flugzeug gewirbelt wurden, liegen verkohlte Leichen – auch die von Kindern.
Um 19.41 Uhr war die viermotorige Jljuschin 18 planmäßig in Prag gestartet. Ihr Ziel war die malische Hauptstadt Bamako, mit Zwischenstopps in Zürich und Casablanca. Nur wenige Minuten vor dem Absturz meldete sich der Pilot der Turbinenpropellermaschine bei der Kontrollstation Eger: „Position Bayreuth, alles normal.“
Was nach dem Funkspruch geschah, ist auch 50 Jahre später nicht vollständig geklärt: Die Stichflamme, welche die Oberrüsselbacher gesehen haben, deutet darauf hin, dass ein Triebwerk der Maschine Feuer gefangen hat und daraufhin explodiert ist. Der 33-jährige Pilot versuchte eine Notlandung – vergeblich. Das Flugzeug überschlug sich beim Aufprall und zerschellte in mehrere Teile. Treibstoff lief aus und fing Feuer – ein riesiger Brand brach aus.
Ein Sabotageakt?
44 Passagiere und acht Besatzungsmitglieder hatten sich an Bord der Jljuschin 18 befunden. Die meisten davon Diplomaten und Militärs der Tschechoslowakei, aber auch Frauen und vier Kinder. Für die 52 Insassen kam jede Hilfe zu spät. „Selbst die Passagiere, die ohne Verbrennungen geborgen werden konnten, waren durch den fürchterlichen Aufprall sofort getötet und verstümmelt worden“, hieß es vor 50 Jahren in den Nordbayerischen Nachrichten.
Kurz nach den Rüsselbachern traf das Technische Hilfswerk Forchheim ein. Die Helfer drängten manchen besonders Schaulustigen zurück und sperrten die Absturzstelle großflächig ab. Die Flammen loderten die ganze Nacht. Erst die Berufsfeuerwehr aus Nürnberg konnte das Feuer löschen. Fünf Tage dauerten die Aufräumarbeiten. Erst mit Hilfe eines speziellen Röntgenverfahrens, das die Körperteile auf unverkennbare Merkmale durchleuchtete, konnten die verkohlten Leichen identifiziert werden.
Heute erinnert nur noch eine Gedenktafel an das Unglück. Doch Mythen ranken sich weiterhin um den Absturz. Zwischen den Wrackteilen hatten die Helfer eine Pistole gefunden. Weil sich der Kalte Krieg 1961 auf dem Höhepunkt befand, ist immer wieder von einem Sabotageakt die Rede. Wie viel Wahrheit darin steckt, bleibt wohl für immer ungeklärt.