Erinnerungen an die Jugend in Forchheim
30.5.2014, 17:39 UhrDie mühevolle Suche nach historischen Fotos hat die Veröffentlichung um fast ein Jahr verzögert. Mit dem Büchlein ist ein lesenswerter Einblick jenseits der offiziellen Stadtgeschichte entstanden. Oft machen sich Erinnerungen an markanten Bauwerken fest, die einen von Kindheit an begleitet haben. So wie der „alte Kanal“, dessen einzig sichtbarer Überrest das Schleusenwärterhäuschen ist. Hans Friedrich hat hier die Abenteuer eines kleinen Jungen erlebt. Besonders die Rückschau auf die Kindheit, auf die ersten Jahre in einer Umgebung, die es heute nicht mehr gibt, nimmt breiten Raum ein.
Kein Wunder, dass Georg Leyh (Höchstadt/Aisch) „Bodschäggäläs“, ein Kinderspiel der Nachkriegszeit in den Sinn kommt, und Michael „Mike“ Wuttke von den „Helden der Schulstraße“ schwärmt. Nicht zu vergessen Dieter Georges Retrospektive auf die Entstehung Forchheim-Nords. Und so nehmen die Erzählungen ihren Lauf und beleuchten einige Kapitel, die bisher noch nicht ins Blickfeld gerückt sind. Etwa Elfriede Dittrichs Erlebnisse in der 1987 abgerissenen VfB-Halle, die vom Kommen und Gehen der Wehrmachtssoldaten, der Zwangsarbeiter und der Heimatvertriebenen berichten.
Davon weiß auch Gudrun Brug (Erlangen), sobald sie vom ehemaligen Kanalhafen und der Bügsiedlung erzählt. Keine eigenen Erinnerungen steuern Jochen Menzel (Thuisbrunn) und Rolf Kießling bei. Sie widmen sich zweier bisher vernachlässigter Bereiche und gehen diese mit wissenschaftlicher Akribie an. Während Ersteren die Entstehung der muslimischen Gemeinde in Forchheim nach 1945 interessiert, ermittelt Letzterer in Sachen „Seltsam-Villa“, einem städtebaulichen Kleinod, das wie so vieles dem vermeintlichen Fortschritt der 60er Jahre zum Opfer fiel und abgerissen wurde.
Denkmal für Hadergasse
Naturgemäß nimmt in einer Kleinstadt mit Annafest und großer Brauereidichte die „Lokal-Geschichte“ breiten Raum ein. Leo Sailers (1925—1998) wiederabgedruckte „weinselige Reise durch Forchheim“ steht da neben Richard Gebhardts „Erinnerungen eines Stammtischlers“, und Dieter Georges „Kneipengeschichten aus den 60er Jahren“.
Heinz Söhnlein, inoffizieller Burker Heimatpfleger, hat der „Hadergasse“, wie die Straße „Zur Sportinsel“ heute heißt, ein mundartliches Denkmal gesetzt. Ebenso wie Karl-Heinz Backer (Höchstädt/Donau) den „Kosmos Vogelstraße“ erkundet, oder Eduard Giessegi (Rettern) als Schüler und Lehrer am Herder-Gymnasium seine „Wege in Forchheim“ nachvollzieht. Im Mikrokosmos der Stadt lässt sich der Makrokosmos der „großen Geschichte“ nachvollziehen, etwa wenn Hartmut Koschyk (Bayreuth) Episoden vom Streckerplatz aufschreibt.
Wie zuverlässig Erinnerung ist, ist eine in der Geschichtswissenschaft umstrittene Frage. Deshalb haben Gerhard Koller und Gerhard Kraus (Nürnberg) daraus auch gleich kleine Prosastückchen gemacht. Wer noch nichts über Forchheim in den Kriegs- und Nachkriegsjahren weiß, für den ist das Büchlein ein Einstieg. Und wer schon als Forchheim-Experte gilt, egal ob als Einheimischer oder „Neigschmeckter“, für den hält die Aufsatzsammlung eine Reihe von Überraschungen bereit.
Das Taschenbuch mit 148 Seiten und vielen Fotos ist als Sonderheft der Heimatkundlichen Zeitschrift „An Regnitz, Aisch und Wiesent“ für 9,90 Euro im örtlichen Buchhandel zu bekommen.
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