Erkenntnis einer Migrantin: „Überall sind nette Leute, die helfen“
20.4.2012, 18:02 UhrEva wächst auf in einer Kleinstadt der damaligen Tschechoslowakei, absolviert das Gymnasium und macht Abitur. Auf das Studium der Germanistik und Slawistik in Bratislava folgen Jahre als wissenschaftliche Assistentin, denn Eva Slamena ist promovierte Slawistin — bis sich schließlich ihr Berufswunsch erfüllt: sie wird Lehrerin an einem Wirtschaftsgymnasium, das sie als stellvertretende Rektorin auch leitet.
Das Ende des Kommunismus nach 1989 in der Tschechoslowakei bringt Bewegung in das berufliche und private Leben. Pädagogische Fortbildungen an deutschen Universitäten und wissenschaftlicher Austausch, der Horizont erweitert sich, auch privat: Sie begegnet ihrem heutigen Mann, der vor über 30 Jahren aus der Tschechoslowakei nach Deutschland geflohen war. So verbinden sich 2006 zwei Lebenswege, die Eva nach Hirschaid führen, wo ihr Mann, ein Musiker und gelernter Programmierer, damals lebte.
Unbekannte Gefühle
Der „Umzug“, wie Eva ihre Auswanderung gerne nennt, brachte für die damals 54-Jährige dann doch einige Überraschungen mit, etwa das bis dahin ihr unbekannte Gefühl, „eine Ausländerin zu sein. Und diese Zeit, muss ich sagen, war überhaupt nicht einfach für meine Psyche“. Es fehlten die vertrauten Freundschaften, die Familie, die Tochter und der Sohn aus der ersten Ehe. Selbstzweifel stellten sich ein: „Was bin ich wert, wer braucht mich?“.
Es überrascht, dies von einer erfolgreichen, selbstbewussten Frau zu hören, die mit exzellenten Deutschkenntnissen nach Franken kam.
Ihr Rezept, das sie übrigens auch allen anderen Einwanderern empfiehlt, überzeugt: „Zeige, was du kannst, biete das an. Erkenne deine Fähigkeiten, geh’ nach vorne. Trau dich, überall sind nette Leute, die wirklich helfen.“
Beherzt begann sie sich zu bewerben, ließ ihre Zeugnisse übersetzen und wurde nach einigen Absagen, die zu verkraften waren, bereits ein halbes Jahr später fündig: Das Bfz, die beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (Bfz) in Forchheim, stellten sie ein als Arbeitsvermittlerin.
Heute, das heißt fast fünf Jahre später, ist sie Seminarleiterin, organisiert Unterricht, wählt Dozenten aus und bietet Beratung an. Und sie entwickelt Neues, wie ihr Lieblingsprojekt der Forchheimer Integrationslotsen, das sie zusammen mit dem Bürgerzentrum auf die Beine stellte. Auch dolmetscht sie nach Bedarf für das Landgericht Bamberg oder die Polizei.
Es schaffen wollen
Rückblickend waren entscheidend für ihren erfolgreichen Weg die guten Sprachkenntnisse, der Wunsch anzupacken und die Aufmunterung des Mannes. Dennoch ist Eva Slamena überzeugt, dass „jeder, der einen Migrationshintergrund hat, manchmal vielleicht nur einen Kick braucht, dass er sich weiterentwickeln kann“. Und schließlich braucht es die „innere Programmierung“ nicht aufzugeben, es schaffen zu wollen.
Inzwischen hat Eva Slamena den deutschen Pass, ihren slowakischen durfte sie behalten. Doch beinahe hätte sie, die damals schon für andere Einwanderer beim Bfz einen Deutschkurs gab, selbst eine Deutschprüfung ablegen müssen. „Deutsche Gründlichkeit, eben“ erinnert sie sich amüsiert.
Muttersprache gepflegt
Ihre slowakische Muttersprache wird weiterhin gepflegt zu Hause, je nachdem worüber und mit wem gesprochen wird. Auch der Kontakt zur Familie in der Slowakei ist lebendig. „Es dauert sechs Stunden, bis ich nach Bratislava komme, zu meinem Sohn. Und nicht mal in drei Stunden bin ich bei meiner Tochter in Prag.“ Die doppelte Staatsangehörigkeit passt daher genau zu ihrem Leben in zwei Sprachen und Ländern.
Für Eva Slamena fällt die Bilanz ihres „Umzuges“ eindeutig aus: Sie fühlt sich aufgenommen in Franken. Fremdenfeindlichkeit oder Ablehnung hat sie bis auf eine kleine Ausnahme nicht erlebt.
Heute bewohnt sie mit ihrem inzwischen zum Rentner gewordenen Mann ein eigenes Haus im idyllischen Wannbach bei Pretzfeld. Und wenn er, der passionierte Musiker mit der renommierten fränkischen „Gründer Saitenmusik“ unterwegs ist, reist sie mit ihm übers Land, lacht und singt wie eine von den anderen Fränkinnen halt.
Denn: „Das muss ich sagen, ich mag Franken, das sind ganz nette Leute. Die sind nicht weit weg von unserer Mentalität.“
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