"Reichsbürger": Forchheims Behörden sind sensibilisiert

Philipp Peter Rothenbacher

Nordbayerische Nachrichten Forchheim-Ebermannstadt

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31.10.2017, 06:00 Uhr

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Denn im Zuge der blutigen Verhaftung des selbsternannten „Reichsbürgers“ im mittelfränkischen Georgensgmünd gab es ab Ende Oktober vergangenen Jahres auch einen SEK-Großeinsatz in Forchheim: Am 24. Oktober 2016 hatten Spezialeinsatzkräfte einen Mann an der Jet-Tankstelle in der Bamberger Straße festgenommen, der per Haftbefehl gesucht worden war. Es handelte sich um einen 34-jährigen Deutschen ohne festen Wohnsitz, der nur im Besitz eines Wohnmobils mit Forchheimer Kennzeichen war. Das Fahrzeug stand zum Zeitpunkt der Festnahme ebenfalls an der Tankstelle und wurde von den Beamten intensiv durchsucht.

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Doch damit nicht genug: Am Nachmittag desselben Tages umzingelten SEK-Kräfte ein Haus in der Lichteneiche und forderten die Bewohner auf, das Gebäude zu verlassen. Anschließend durchsuchten die Polizisten eine der Doppelhaushälften nach Beweismitteln im Fall „Georg P.“ Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth war das Wohnmobil des festgenommenen 34-Jährigen immer wieder mehrere Tage lang vor dem Anwesen in der Lichteneiche gestanden. Und: Hinweisen zufolge soll das Fahrzeug auch auf dem Grundstück des „Reichsbürgers“ in Georgensgmünd gestanden haben.

Typische Verhaltensweisen

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sei der 34-Jährige kein direkt Beschuldigter gewesen, sondern ein „Dritter“. Mit anderen Worten: Man durchsuchte den Wohnwagen und die Wohnung in Forchheim lediglich nach Beweisen im Fall Georgensgmünd – und gegen den 34-Jährigen wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

In Bezug auf die „Reichsbürger-Bewegung“ auffällig geworden sind nach Angaben des Landratsamtes Forchheim bislang rund 70 Personen im Landkreis. „Das ist keine exakte Zahl, weil das ja auch keine homogene Szene ist“, sagt Jürgen Kupfer, Fachbereichsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung im Landratsamt. Verdächtig mache man sich anhand vieler Kriterien, so Kupfer: „Beispielsweise“, so Kupfer, „wenn jemand diesen ominösen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt“. Oder aber auch: Leute, die bei der Gemeinde ihren Personalausweis zurückgeben, die beim Schriftverkehr mit Behörden das Landratsamt oder die Stadtverwaltung als „AG“ bezeichnen. „Das typische Verhaltensmuster dieser sogenannten Reichsbürger eben“, sagt Kupfer.

Das Landratsamt meldet derlei Verdachtsfälle dem Polizeipräsidium Oberfranken, wenn sich dort der Verdacht erhärtet, wird das Landesamt für Verfassungsschutz eingeschaltet. „Und dann wird je nach Sachlage überprüft, ob diese Person eventuell im Besitz eines Jagdscheines oder einer waffen- beziehungsweise sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist“, erklärt Kupfer.

Nach dem Fall in Georgensgmünd habe das Innenministerium neue „Vollzugshinweise“ an die Waffenbehörden ausgegeben, die angeben, wie die Ämter mit potenziellen „Reichsbürgern“ zu verfahren haben. „Solche Verdachtsfälle müssen sich dafür aber erst mal konkretisieren“, sagt der Fachbereichsleiter – in Anhörungen und Gesprächen mit der betreffenden Person. „Wir hatten auch Fälle, die sich später als harmlos herausgestellt haben“, erzählt Kupfer.

Doch manchmal lasse sich der Verdacht auch nicht von der Hand weisen und „da ziehen wir dann verwaltungsrechtliche Konsequenzen“, so Kupfer. Für nachgewiesene „Reichsbürger“ bedeutet das beim Waffenrecht: ein Widerrufsverfahren wird eingeleitet, um ihnen Waffen- oder Jagdscheine zu entziehen. Etwa 3500 Waffenbesitzer gibt nach Jürgen Kupfers Schätzung im Landkreis Forchheim.

„Der Einsatz in Georgensgmünd, bei dem ein Kollege getötet wurde, hat bei der Polizei Spuren hinterlassen“, sagt Forchheims Polizeichef Jürgen Prinzkosky. „Darum wird das Thema Reichsbürger von uns hochsensibel behandelt.“ Es gehe immerhin um den Schutz der Bürger genauso wie um den Schutz der Arbeitskollegen.

Dem Polizeipräsidium Oberfranken sind derzeit 283 Menschen im gesamten Regierungsbezirk bekannt, die überprüft und schließlich eindeutig den „Reichsbürgern“ zugeordnet werden konnten. Im Präsidium bestätigt ein Sprecher ebenfalls, dass die Thematik erst mit den tödlichen Schüssen in Georgensgmünd ins Zentrum des Interesses rückte: „Wir haben das Gefahrenpotenzial erkannt und da sind sehr viel sensibler geworden.“

Zehn Fälle pro Monat

In Zusammenarbeit mit anderen Behörden wie dem Verfassungsschutz werden Verdächtige seither genauer überprüft und dementsprechend eingestuft. „Es kommen permanent welche dazu“, so der Polizeisprecher, „im Monat etwa zehn Verdachtsmeldungen“. Allerdings heiße das nicht, dass davon jeder in die Kategorie „Reichsbürger“ falle.

 

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