Der Nummer-Eins-Hitmacher aus Fürth
24.9.2014, 21:00 UhrEs ist laut. Ohrenbetäubend laut. Klar, das muss ja wohl so sein und passt perfekt in die Schublade mit der Mahnung: Näherst du dich einem DJ, vergiss die Ohrenschützer nicht. Allerdings entpuppt sich der Krach als dezenter Hinweis darauf, solche Weisheiten lieber stecken zu lassen. Schuld ist mal wieder der Gärtner, und der hat den Laubbläser angeworfen. Da hilft nur, kurz mit den Fingern in den Ohren auszuharren, bis die Haustür geöffnet wird. Die Adresse muss stimmen. Immerhin ist der Fußabstreifer mit einer Kopfhörer tragenden Schnucke und der Inschrift „DJ Schaf“ dekoriert. Innen empfängt einen dann wohlige Ruhe. Im Keller-Studio, in das Fürths Nummer-Eins-Hit-Macher bittet, ist es dann nahezu schalldicht.
60 000 Klicks
Kostas Triandafilidis alias DJ Polique hat auf den ersten Blick nicht so viel von dem Mann an sich, der im Video „The Worst Way“, das auf Youtube schon bald 60 000 Mal angeklickt wurde, zu sehen ist. Freundlich ist er, offen und hochprofessionell. Vor allem aber strahlt er Begeisterung aus. HipHop ist sein Metier, seine Leidenschaft. Schon als Junge entdeckte er für sich die Art von Musik, die unter das Prädikat „HipHop & R’n’B“ fällt. Aus jenen Tagen, als es in Fürth noch einen US-Stützpunkt gab, stammt auch sein Künstlername, den ihm ein amerikanischer Freund verpasste.
„Ich bin polnisch-griechischer Abstammung“, erklärt Kostas, „auf Englisch ,polish‘ und ,greek‘, das hat mein Kumpel damals einfach zu ,Polique’ zusammengezogen.“ Als Kind wohnte er mit seinen Eltern zunächst in Zirndorf, später in Fürth. Nach der Kiderlin-Grundschule ging er auf die Hans-Böckler-Realschule, machte im Anschluss sein Fachabi an der Fachoberschule. „Eigentlich wollte ich Industriekaufmann werden, das fand ich nach einigen Praktika interessant.“
Davor stand der Zivildienst bei den Johannitern. Außerdem der Wunsch, seine Musik zum Mittelpunkt seines Lebens zu machen. „Ich war nie der Typ, der nichts macht. Mein Vater war ziemlich streng. Wenn ich etwas wollte, musste ich dafür arbeiten.“ Kostas wusste mittlerweile exakt, was er wollte. Einen Job als Sende-Assistent bei Radio N 1, zum Beispiel. Die Stelle bekam er. „Die anderen Bewerber wussten nicht so viel über Musik wie ich, weil ich alles, wirklich alles gehört und sämtliche Magazine verschlungen habe.“
Immerhin gab es zu diesem Zeitpunkt noch kein Internet, dafür aber liefen die richtigen Videoclips auf MTV und VIVA. „Um das zu sehen, bin ich als Junge an den Wochenenden oft zu meiner Tante, daheim haben wir die Sender nicht gehabt.“ Bei N 1 macht Kostas, was sein Prinzip ist: „Ich hab’ ordentlich Gas gegeben.“ Es dauert nicht lange, dann bekommt er seine erste Sendung bei N 1 und als Interview-Partner Größen wie Snoop Dogg, Eminem, 50 Cent oder OutKast („Die waren echt lustig drauf“) vor das Mikrofon.
Doch jetzt will er endlich selbst als DJ einsteigen. „Zuerst wollte mich niemand auflegen lassen.“ 1998 steht er zum ersten Mal an den Turntables. Die Chance, eine eigene Veranstaltung zu machen, kommt im Jahr 2000 von jetzt auf gleich. „Dienstags bin ich angerufen worden, ob ich freitags im alten Q-Club ran will.“ Wir erinnern uns: Es sind Prä-Facebook-Zeiten. Doch Polique mobilisiert seinen großen Freundes- und Bekanntenkreis und steht vor 480 zahlenden Gästen an den Plattentellern.
Die Einnahmen aus seinen nun florierenden Veranstaltung investiert er für ein paar Jahre in einen Plattenladen. Sein persönlicher Plan B, falls es nicht so läuft. Doch es geht weiter. Er ist gefragt, denn sein Konzept funktioniert. „Wenn ich auflege, dann reagiere ich spontan auf die Leute, für mich macht es überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Playlists vorzubereiten.“
Seine Mission hat er klar definiert: „Ich werde bezahlt, um die Leute zum Feiern zu bringen, damit sie ihre Probleme vergessen, sich gut unterhalten und tanzen.“
Berliner Silvestersause
Seine private Ziel-Vereinbarung geht weiter: „Ich wollte, dass jeder Jugendliche in der Metropolregion meinen Namen kennt.“ Der Mann, der noch nie einen Manager hatte, promotet sich selbst und ist heute weit über Franken hinaus ein Begriff. In der vergangenen Silvesternacht hat er zum Beispiel der unübersehbaren FeierMeute vor dem Brandenburger Tor in Berlin Beine gemacht.
Für den Vater eines 16-Jährigen Sohnes ist der nächste Karriereschritt nur folgerichtig. Sein Fokus liegt jetzt darauf, selbst zu mixen und zu produzieren. Mit Kollegen hat er „Kickson Bookings“ gegründet, eine Musikmanagement- und Produktionsfirma mit Sitz in Dambach. In den Studios, die hier untergebracht sind, verbringt Kostas viel Zeit, arbeitet, feilt, probiert aus. Bei seiner ersten Single „The Worst Way“ hat sich der Aufwand gelohnt. Vieles ist zusammengekommen. Die gute Zusammenarbeit mit Rapper Tommy Gunz, der im Song auch zu hören ist, zum Beispiel. Beim Videodreh in Berlin wurde aufgetischt, was zum Genre gehört. Schöne Frauen und wenig Textilien inklusive.
Die Resonanz der Fans ist riesig. „Eyh, Digger, du hast mich voll inspiriert“, schreibt einer. Polique freut sich. „Sowas motiviert.“ Vor „The Worst Way“ war von ihm im Netz schon „Bounce that, Twerk that“ zu finden. 100 000 Klicks erntete er bislang dafür. „Meine dritte Single muss jetzt richtig durch die Decke gehen“, nimmt sich DJ Polique vor und stellt sich fürs Foto vor sein Studio-Equipment.
Und plötzlich ist da der Mann, der im Video auftritt. Alles augenscheinlich bloß eine Frage von Haltung und Blick. DJ Polique hat jetzt allerdings kein Problem damit, den mannsgroßen Plüschaffen, der in einer Ecke sitzt, in den Arm zu nehmen: „Der leistet mir Gesellschaft, wenn ich stundenlang allein im Studio bin.“
Und das ist irgendwie ja auch ganz schön cool.
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