Die Stunde der Unlustmolche
21.3.2013, 11:30 UhrEin Schwank? Von wegen. Ein Bollwerk der Beständigkeit ist dieses Lustspiel, das läuft und läuft und läuft. Die erfolgreichen Vielschreiber Arnold und Bach haben ein ebenso gut gebautes, wie simples Stück ersonnen. Trotzdem ist es mehr als erstaunlich, dass „Der keusche Lebemann“ nicht längst den Ruhestand genießt. Nicht zuletzt, weil sein Witz auf eine Frivolität setzt, die einst vielleicht Damen zum Erröten und Herren zum echauffierten Durchschnaufen brachte – mittlerweile allerdings ad acta gelegt sein dürfte.
Ist sie aber offensichtlich nicht. Martin Rassau lässt als Regisseur all die possierlichen Anzüglichkeiten spielen, die bestenfalls sanfte Schauer nostalgischer Erregung hervorlocken. Rassau selbst steht als Fabrikant Julius auf der Bühne, der Tochter Gerti mit seinem Kompagnon Stieglitz verheiraten will. Die finanzielle Raffinesse dieses Arrangements liegt auf der Hand.
Absolut nicht einleuchtend ist, warum Gerti jenen Stieglitz erhören soll, der ein unsäglich unerotischer Kerl ist. Volker Heißmann spielt den mit Ärmelschoner und Kneifer bespickten Unlustmolch und gewinnt seiner Figur tatsächlich etwas Jahrzehnteübergreifendes ab. Soll heißen: Sein Stieglitz geht als Urtyp dieser Gattung durch.
Das Premieren-Publikum in der vollbesetzten Comödie goutierte offensichtlich, dass die Neu-Inszenierung auf Überraschungen verzichtet. An diesem Klassiker ist alles klassisch. Angefangen vom Bühnenbild – jugendstilige Gediegenheit – bis zu den Kostümen. Die Genre-Treue endet nicht bei den Darstellern, von denen vor allem die Frauen – allen voran Saskia Huppert als Filmstar Ria Ray – so enthusiastisch agieren, als hätten sie ihr Handwerk tatsächlich beim Stummfilm gelernt.
Rassau lässt den fränkischen Lebemann in Sepia-Tönen wie aus einer alten Fotografie schwelgen, setzt bei seiner Inszenierung aber energisch auf Tempo und Timing. Das macht den Pointen Beine.
Als kleines Schmankerl für wahre Fans stehen diesmal alle vier Comödien-Gesellschafter gleichzeitig auf der Bühne: Neben Heißmann und Rassau gibt Marcel Gasde mit gleichermaßen burleskem Akzent und Perücke den Butler, während Michael Urban als ausdauernd rasender Verlobter mit Berserker-Attitüde auftritt.
Am Ende ist alles so klar wie bei der Premiere vor knapp 92 Jahren. Das richtige Paar ist verkuppelt. Alle Fragen geklärt. Bis auf eine: Welcher geheime Zauber macht diesen Schwank so unsterblich?
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