Eine trügerische Hoffnung
18.7.2014, 08:48 UhrSpontan hatte sich Benno Berneis nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum Wehrdienst gemeldet. Gleich nach der Mobilmachung sei er „hinausgestürmt“, so schrieb es später sein Kommandeur an die Eltern des in Fürth geborenen Malers. Da war Berneis schon tot: Am 8. August 1916 wurde sein Flugzeug im Luftkampf mit einem französischen Piloten abgeschossen — er war seinem Kommandeur zur Hilfe geeilt.
Der Enthusiasmus, mit dem Berneis in den Krieg zog, war beispielhaft für viele deutsche Juden – und zwar, das hat auch den Historiker Jim G. Tobias erstaunt, unabhängig von ihrer politischen Einstellung. Tobias ist Leiter des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Das Jahrbuch des Instituts, das er im Jüdischen Museum vorgestellt hat, trägt den Titel „Davidstern und Eisernes Kreuz — Juden im Ersten Weltkrieg“. Elf Aufsätze beleuchten Erfahrungen deutscher Juden in diesem ersten industriell geführten Massenkrieg, von jiddischen Schriftstellern bis zum Antisemitismus in Kurbädern wie Bad Reichenhall.
Tobias und seine Mitherausgeberin Nicola Schlichting untersuchen in ihrem Aufsatz, wie in jüdischen Zeitungen über das erste Kriegsjahr berichtet wurde. Das Ergebnis: Egal ob zionistisch, ob liberal oder deutschnational — für den Krieg wurde überall getrommelt. Aus Patriotismus natürlich, aber auch weil an den scheinbar alles umwälzenden Krieg viele Hoffnungen geknüpft wurden.
Einerseits gab der Ausspruch Kaiser Wilhelms II., er kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche, Anlass zu glauben, auch die Juden könnten gesellschaftlich gleichberechtigt werden. Zudem kämpfte Deutschland gegen Russland. Im Zarenreich war es nach der Ermordung des Herrschers Alexander II. wiederholt zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung gekommen. Tausende starben, viele wanderten aus. Von einem deutschen Sieg erhoffte man sich auch eine Befreiung der osteuropäischen Glaubensbrüder.
In der Folge opferten sich viele Juden nicht nur für das Kaiserreich an der Front, auch daheim versuchten sie, Geld für die Kriegskasse zu sammeln. In Bamberg, das schildert der Historiker Timo Saalmann, spendeten patriotische Juden, der Hopfenhändler Samuel Rosenfelder und das Bankiersehepaar Hermann und Emma Hellmann, eine überlebensgroße Holzskulptur des Ritters, der auf dem Bamberger Stadtwappen zu sehen ist. Gegen eine Spende konnten Bewohner Nägel in die Figur schlagen und ihr so eine Art Rüstung verpassen. Solche „Kriegsnagelungen“ waren im Deutschen Reich im Ersten Weltkrieg weit verbreitet.
Doch schon während des Krieges wurde klar, dass aller Einsatz nichts am Antisemitismus der deutschen Gesellschaft ändern würde. Antijüdische Zeitschriften hetzten trotz des vom Kaiser ausgerufenen „Burgfriedens“ weiter, auch an der Front waren Juden Benachteiligungen ausgesetzt, das zeigt etwa der Beitrag von Ruth Jacob, die die Tagebücher des jüdischen Bataillonsarztes Joseph Lachmann durchforscht hat.
Kein Eisernes Kreuz half
Spätestens mit der „Judenzählung“ von 1916, bei der ihr Anteil im Heer erfasst wurde — eine Reaktion auf Propaganda antisemitischer Verbände und Zeitungen — wurde offenbar, dass Juden Soldaten zweiter Klasse waren. Besonders perfide: Das Kriegsministerium hielt die Veröffentlichung der Zahlen zurück — dabei bewiesen sie, dass ein genauso großer Anteil von Juden an der Waffe diente wie restliche Deutsche auch.
Vor dem nach Kriegsende weiter wachsenden Antisemitismus, vor der Verfolgung und Vernichtung durch die Nazis schützte auch kein noch so leidenschaftlicher Einsatz für das Deutsche Reich im Krieg, kein Orden, keine Spende, kein Eisernes Kreuz. Emma Hellmann, die gemeinsam mit ihrem Mann die Ritter-Figur in Bamberg gestiftet hatte, wurde im August 1942 nach Theresienstadt deportiert — am 23. September wurde sie im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Jim G. Tobias/Nicola Schlichting (Hg.): Davidstern und Eisernes Kreuz — Juden im Ersten Weltkrieg. Antogo Verlag, Nürnberg. 181 Seiten, 14 Euro.
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