Fachleute brechen Lanze für das Woolworth-Gebäude
11.11.2014, 06:00 Uhr„Ich kann nachvollziehen, dass es einen denkmalpflegerischen Wert hat“, sagt Peter Dürschinger über das Gebäude, das die Firma Bilka in den 50er Jahre errichten ließ. Damit ist der Fürther Architekt auf einer Linie mit dem Landesamt für Denkmalpflege, das den Bau, wie berichtet, „stellvertretend für die Kaufhausarchitektur der Nachkriegszeit“ sieht. Das Werk des Architekten Hans Paul Schmohl, der auch für das Stuttgarter Rathaus verantwortlich zeichnet, sei ein „seltenes Beispiel eines Übergangsbaus, der die Entwicklung weg vom Stahlbeton hin zur Vorhangfassadenästhetik dokumentiert“.
Dürschinger empfindet das Woolworth-Gebäude zudem keinesfalls als Fremdkörper. „Es bricht nicht aus wie beispielsweise das Sparkassenhochhaus“, sagt er. Es nehme lediglich eine eigene Haltung ein. Und diese Haltung heiße: Zeitgeist. „Wer versteht, dass Architektur immer auch Zeitgeist ausdrückt, versteht auch, warum in den 50er und 60er Jahren so gebaut worden ist, und gleitet nicht in eine rein geschmäcklerische Bewertung der Fassade ab“.
Sinnvoll nutzen
Mit einem Abbruch könnte sich Dürschinger nicht anfreunden. In der Architektur bekomme die Strömung, etwas Bestehendes sinnvoll zu nutzen, anstatt es abzureißen, eine immer größere Bedeutung – auch aus energetischer Sicht. Schließlich sei vor Jahrzehnten viel Energie aufgewendet worden, um das Haus zu bauen. Dürschinger plädiert im Fall Woolworth für „behutsame Eingriffe“, die ihn so hervorheben, dass „auch die Öffentlichkeit“ seinen Wert erkennen könne.
Ernst-Ludwig Vogel spricht sich ebenfalls für eine „Ertüchtigung“ des Gebäudes aus – in Abstimmung mit der Denkmalpflege. Er könne zwar verstehen, dass „viele Leute über das Gebäude maulen“, sagt der frühere Kunstlehrer, der mitverantwortlich dafür ist, dass sich das Hardenberg-Gymnasium „Schwerpunktschule Architektur“ nennen darf. Allerdings möchte Vogel Woolworth nicht als hässlich bezeichnen.
Das frühere Bilka-Kaufhaus sei ein Zeugnis der Zeit, das den Kontrast gesucht hat. „Und das ist mir viel lieber als Anbiederungsarchitektur.“ Bemerkenswert: Sowohl Vogel als auch Dürschinger schwärmen vom viel geschmähten CommerzbankGebäude an der Rudolf-Breitscheid-Straße. Auch dieser Komplex direkt neben der Neuen Mitte leide – zu Unrecht, wie sie meinen – unter Vorurteilen der Bevölkerung.
"Ein Klotz"
Stadtheimatpflegerin Karin Jungkunz hat die Entscheidung der Denkmalpfleger bereits als richtig bezeichnet. Die FN zitierten sie mit den Worten: „Auch Woolworth gehört für mich zu Fürth.“ Auf ihrer Internetseite (www.stadtheimatpflege-fuerth.de) hat Jungkunz nun nachgelegt: Das Kaufhaus lapidar als Klotz zu bezeichnen, werde seiner Bedeutung nicht gerecht, schreibt sie und wirft die Frage auf, ob „ein Neubau an dieser Stelle die städtebauliche Entwicklung wirklich bereichern würde“. Es stehe zu befürchten, dass nur „ein Klotz“ den anderen ersetze – diesmal „vielleicht mit Sandsteinfassade“.
Ähnlich empfindet es Architekt Christofer Hornstein, der sich in Fürth auch als früherer Sprecher der Bürgerinitiative „Bessere Mitte“ einen Namen gemacht hat. „Solange nicht sichergestellt ist, dass etwas Neues städtebaulich wirklich besser ist, bin ich für den Erhalt und eine gekonnte Sanierung.“ Und das, obwohl Hornstein das Gebäude unumwunden als „Bausünde“ bezeichnet. Aus heutiger Sicht, wie er betont. „Damals fand man es sicherlich zukunftsweisend.“
Bilka-Architekt Schmohl hat ihm zufolge bewusst darauf verzichtet, auf die „umgebende Bautradition gestalterisch Bezug zu nehmen“. Diese Haltung habe sich bis heute bei Kollegen gehalten und werde oft als „mutige Architektur“ betitelt. Hornstein bevorzugt es indes, „die Form, das Material und die vorherrschende Architektursprache am Ort nicht zu verleugnen, sondern aufzunehmen und modern zu interpretieren“.
Als „Kind seiner Zeit“ bezeichnet Hartmut Schmidt den Bilka-Bau. „Er hat seine Berechtigung, an dieser Stelle der Stadt zu stehen“, sagt der Architekt, der bis vor kurzem dem Fürther Baukunstbeirat vorstand,
ehe er dieses Ehrenamt turnusgemäß abgegeben hat. Wie Dürschinger
findet Schmidt, dass das Gebäude „nicht aus dem Stadtbild knallt“. „Städtebauliche Kanten“, sagt er, habe der damalige Architekt aufgenommen.
Sanieren ja, abreißen nein, lautet Schmidts Schlussfolgerung. Er vermutet, dass die Menschen noch nicht genügend Abstand zu den 50er Jahren haben, um die Qualität der Architektur zu erkennen. Diese Einsicht müsse jedoch bald reifen. „Sonst sind diese Gebäude Geschichte.“
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