Fürth: Hetzerische Flugblätter an vier Kirchen aufgetaucht
26.12.2017, 18:30 UhrSechs Forderungen richten die anonymen Verfasser an "alle Kirchen Deutschlands". "Nächstenliebe", die "Liebe zum Eigenen", müsse vor "Jedermannsliebe" kommen, heißt es unter anderem. Oder: Selbstverteidigung sei keine Sünde. "Die Kirche soll das Volk zu wehrhaften, stabilen Menschen machen und nicht zu abhängigen Schafen."
Die Kirche müsse zudem "abendländische Traditionen" schützen und sicherstellen, dass "Deutschland das Land der Deutschen bleibt", es sei dem "deutschen Volk von Gott zugewiesen und keinem anderen Volk". Auch müsse Schluss sein mit der "modernen Erbsünde", mit dem "Kult mit der Schuld" - gemeint ist die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Denn: "Die Erbsünde ist durch den Bund mit Jesus aufgehoben worden."
Am Ende kündigen die angeblichen Christen an: "Wir werden die Teilnahme an kulturmarxistischen Zersetzungsprojekten seitens der Kirchen nicht länger hinnehmen."
An der KZ-Denkstätte aufgehängt
In Fürth waren die Plakate in der Nacht zum Freitag mit Klebeband an St. Michael, der Auferstehungskirche, St. Paul und St. Martin befestigt worden. Er habe sie zunächst als Unsinn abgetan, sagt Fürths evangelischer Dekan Jörg Sichelstiel. Doch er wurde hellhörig, als sich am Freitagabend, bei der Pegida-Demo in Fürth, einer der Redner als "patriotischer Christ Deutschlands bezeichnete". Sichelstiel machte daraufhin die Polizei auf die Flugblätter aufmerksam.
Plakate mit dem gleichen Inhalt waren vor einigen Tagen in der Dachauer Innenstadt und auch rund um die dortige KZ-Gedenkstätte aufgehängt worden, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte. Ob die Aktion strafrechtliche Konsequenzen hat, prüft die Kripo. Laut der Süddeutschen Zeitung war Dachau bis dahin der einzige Ort, an dem die Plakate auftauchten. Unklar sei, wer hinter den "Patriotischen Christen Deutschlands" stecke.
Kirchenvertreter verurteilten die Flugblätter scharf. Die Forderungen seien völlig unchristlich. Sichelstiel sieht es genauso. Die Sätze stünden im Widerspruch zur Weihnachtsbotschaft und zu dem, was christliches Denken und Handeln ausmache. "Nationalismus ist nicht christlich."
Protest gegen Pegida
Als Zeichen gegen die Pegida-Demo und gegen Fremdenfeindlichkeit hatte die Gemeinde St. Michael zusammen mit dem Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus am Freitagabend, im Anschluss an eine Gegendemo, zu einem Erzählcafe in die Grüne Scheune eingeladen. Schauspieler des Stadttheaters lasen Fluchtgeschichten vor. Musikalisch wirkten Künstler aus Syrien und dem Iran mit. "Das war sehr eindrücklich", sagt Sichelstiel. Das Thema Flucht habe ein Gesicht bekommen, "die Schicksale haben mich berührt".
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