Ganz neue Masche

23.02.2012, 11:00 Uhr
Ganz neue Masche

© André de Geare

Im langen Flur in den Geschäftsräumen der Lieblingsoma GmbH hängen 30 gerahmte Fotos. Alle zeigen ältere Damen, die in einem großen Ohrensessel sitzen und in die Kamera lachen. Zwei Dinge haben sie gemeinsam: Sie stricken für ihr Leben gern und haben meistens sehr viel Zeit. Verena Röthlingshöfer macht sich diese beiden Dinge zunutze. 30 Omas arbeiten für sie, indem sie ihre Stricknadeln klappern lassen.

Sie fertigen Schals und Mützen im aktuellen Grobstricklook, winzige Babyschuhe oder modische Armstulpen. Über die Internetseite www.myoma.de können Kunden diese Dinge bestellen. Sobald der Auftrag eingegangen ist, setzt Verena Röthlingshöfer eine „ihrer“ Omas ein, die das Gewünschte dann strickt. Etwa zwei Wochen dauert es dann, bis der Auftraggeber seine Ware erhält.

Aber Verena Röthlingshöfer geht es nicht vorrangig um ein lukratives Geschäft. Sie wollte auch die Lebenserfahrung älterer Menschen nutzen, ihnen eine Aufgabe und eine Plattform für den Austausch geben. Inzwischen treffen sich einige der Damen recht regelmäßig in der Küche, die an die Büroräume in der Fürther Innenstadt angeschlossen ist. Dort, auf den Holzstühlen, die passenderweise von Röthlingshöfers Großeltern stammen, sitzen sie dann, trinken Kaffee — und stricken.

„Manche Frauen legen ihr Strickzeug quasi nie weg“, erzählt die 31-Jährige. Bevor sie sich mit der Lieblingsoma GmbH selbstständig gemacht hat, hat sie in einer Münchner PR-Agentur gearbeitet. Nach vier Jahren aber bekam sie Sehnsucht nach ihrer Heimat; seit vergangenem September ist sie wieder in der Kleeblattstadt.

Vor dort kommt auch ein Großteil ihrer Mitarbeiterinnen, manche stammen auch aus dem Steigerwald, wo Röthlingshöfers Eltern leben. Einige der Damen haben sich durch ihren Strick-einsatz erstmals in ihrem Leben ein kleines Stück Selbstständigkeit erarbeitet. „Eine Oma hat jetzt ihr erstes eigenes Konto eröffnet“, erzählt Verena Röthlingshöfer. Etwa ein Drittel das Verkaufspreises geht an die Strickerinnen. Für eine Mütze sind das beispielsweise rund 15 Euro.

Ein klein wenig Berühmtheit haben sie aber auch schon erlangt: Jeder Kunde bekommt mit der Bestellung eine Dankeskarte mitgeschickt. Darauf ist das Foto der Dame, die das gewünschte Teil gestrickt hat. „Oft bekommen wir von den Kunden dann noch eine Mail, in der sie sich bei der Oma bedanken und mitteilen, wie gut ihnen das gekaufte Stück gefällt“, sagt Röthlingshöfer. Einige Seniorinnen hat sie auf ausdrücklichen Wunsch inzwischen bei Facebook angemeldet, damit sie sich mit den Käufern austauschen können.

Vielen Menschen, die bei ihr Mützen, Schals oder Accessoires bestellen, sei es wichtig zu wissen, dass die gekauften Produkte handgefertigt sind und aus Deutschland stammen. Dafür würden sie auch etwas mehr bezahlen, so die Geschäftsführerin.

Momentan sitzt Verena Röthlingshöfer etwas häufiger als sonst mit ihren Mitarbeiterinnen, die im Durchschnitt 65 Jahre alt sind, zusammen. Grund: Die Frühjahrskollektion muss kreiert werden. Dafür sind sie alle im Einsatz: Die Omas machen sich Gedanken über neue Produkte — etwa Hüllen für das iPhone oder Sommermützen mit Lochmuster — und stricken schon mal Musterstücke vor. Manchmal braucht es mehrere Prototypen, bevor das perfekte Modell herauskommt. Röthlingshöfer kümmert sich um die Beschaffung von Wolle und Stricknadeln; beides stellt sie ihren Mitarbeiterinnen zur Verfügung. Deren Männer übrigens sind inzwischen auch schon involviert. Sie bringen fertige Bestellungen vorbei, holen neue Wolle ab oder sitzen mit ihren Frauen und deren Kolleginnen in der Küche des Büros. Nur eines schaffen sie garantiert nicht: Die Damen vom Stricken abzuhalten.

www.myoma.de

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