Gustavstraße: Streit spitzt sich zu
4.8.2012, 10:00 UhrDas T-Shirt sei ein Ausdruck von Humor, heißt es auf der Facebook-Seite des Gelben Löwen, auf der vor kurzem noch für das Kleidungsstück geworben wurde. Auf satirische Weise versuche man, sich gegen einen Nachbarn zu wehren, der die Wirte „überwacht, denunziert und bedroht“.
Christoph Maier indes kann über das schwarze T-Shirt nicht lachen. Auf der Rückseite ist der Umriss einer Leiche zu sehen — eine weiße Kreidezeichnung, wie sie an Tatorten signalisiert, wo das Opfer lag. Vorne drauf: ein Logo, das an jenes der Antifa erinnert. Statt „Antifaschistische Aktion“ ist zu lesen: „Antischwa — Fürther haltet eure Stadt sauber“. Für den Rechtsreferenten ist die Sache eindeutig: „Die rote Linie ist überschritten. Das, was zurzeit passiert, das geht nicht.“ Die Situation sei „beunruhigend“.
Auch Polizeichef Peter Messing zeigt sich im Gespräch mit den FN besorgt. Der Bogen sei überspannt: „Ich appelliere an alle, wieder Normalmaß einkehren zu lassen.“ Wie mehrfach berichtet, brodelt seit mehr als einem Jahr in der Altstadt ein Konflikt über das Thema Lärm. Während sich etliche Gastronomen heraushalten und die Mehrheit der Anwohner mit der Wohnsituation zufrieden zu sein scheint, hat sich der Streit zwischen einigen Anwohnern und den Wirten der Kaffeebohne und des Gelben Löwen hochgeschaukelt. Mit einem Stadtratsbeschluss vom Dezember sollte Ruhe einkehren. Seitdem gelten strengere Regeln in der Kneipenstraße, unter anderem muss auf den Freischankflächen spätestens um 23 Uhr Schluss sein. Frieden kehrte damit nicht ein, im Gegenteil.
Seit dem Fürth Festival habe sich das Klima dramatisch verschärft, sagt Marcel Schwalme. Er hat sich jetzt in einem Brief an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann gewandt. Darin ist von Eiern die Rede, die gegen sein Haus geworfen werden, von Sachbeschädigungen, von „aggressiven Leuten“, die nachts vor dem Haus Schmähgesänge anstimmen und gegen die Scheiben schlagen. Für sie ist Schwalme zum Feindbild geworden, erst recht, seit er kürzlich im Erdgeschoss seines Hauses selbst ein Café eröffnet hat, vor allem aber, weil er regelmäßig Beschwerde beim Ordnungsamt einlegt, etwa wenn die Sperrzeit für Freischankflächen überschritten ist. Etwas anderes aber bleibe ihm nicht übrig, so Schwalme, da die Stadt selbst nicht kontrolliert.
Tatsächlich hat die Kommune, wie Rechtsreferent Maier bestätigt, bislang nichts aus eigener Initiative unternommen, um festzustellen, ob der Beschluss funktioniert — ob um 23 Uhr draußen tatsächlich Schluss ist. Bisher wurden die Beschwerden entgegengenommen und ans Rechtsamt weitergeleitet, das prüfen muss, ob Bußgelder verhängt werden. Sämtliche Verfahren ziehen sich übrigens noch hin, weil Anwälte Akteneinsicht gefordert haben. Am Ende wird es wohl oft heißen: Aussage steht gegen Aussage.
Weitere Einschnitte gegenüber den Wirten sind mit der Stadt nicht zu machen und müssten gerichtlich erstritten werden, betont Christoph Maier erneut. Doch auf Nachhaken der FN zeigt er sich nachdenklich. Vielleicht lasse sich Druck aus der Situation nehmen, wenn die Stadt „genauer hinsieht“ und regelmäßig kontrolliert, ob die Wirte, wie sie beteuern, pünktlich die Gäste nach drinnen bitten. Das könnte helfen, Beschwerden zu reduzieren.
Fürths OB Thomas Jung zeigt sich auf FN-Anfrage zunächst deutlich reservierter, erwägt dann aber ebenfalls „stichprobenartige Kontrollen“. Zudem will er prüfen lassen, ob es Sinn machen könnte, noch einmal einen Runden Tisch einzurichten. „Wenn das möglich wäre, würde mich das sehr freuen.“ Freuen würde sich darüber auch Schwalmes neue Anwältin, die bereits versucht hat, mit der Stadt ins Gespräch zu kommen. Sie will Vorschläge machen, wie sich der Konflikt möglichst ohne den Gang vors Gericht lösen lasse.
Auch wenn Rathauschef Jung keinen Zweifel daran lässt, dass er für viele der Forderungen einzelner Anwohner keinerlei Verständnis hat und sich auch persönlich nicht als Schlichter betätigen möchte, macht er klar: Wenn mit einem T-Shirt gemobbt wird, wenn mit Eiern geworfen und gegen die Hauswand uriniert wird, „ist das Gewalt und Gewalt geht immer zu weit“.
Von einer neuen Stufe der Eskalation spricht derweil auch Peter Heßler, Wirt des Gelben Löwen — allerdings meint er nicht das T-Shirt, mit dem er im Übrigen persönlich nichts zu tun habe, sondern einen Streit vor Schwalmes Haus, bei dem die Gegenseite jüngst handgreiflich geworden sein soll. Heßler ist angesichts des Vorfalls entsetzt: „Körperliche Gewalt darf nie passieren“, sagt er. Das predige er auch jenen Gästen, deren Zorn auszuufern drohe.
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