#HohenzollernWalk: So erlebten Blogger die Cadolzburg
5.7.2017, 16:00 UhrDie Museumsmacher auf der Cadolzburg sind zwar Experten für das Mittelalter, aber keinesfalls von gestern. Die Historie der Burg und des Hohenzollerngeschlechts wollen sie wenige Tage nach der Eröffnung des neuen Erlebnismuseums nicht nur dem klassischen Museumsbesucher, sondern auch den Nutzern Sozialer Medien schmackhaft machen.
Unter dem Hashtag #HohenzollernWalk ging eine Einladung an "die Netzgemeinde" zu einer Führung, die Einblicke hinter die Kulissen gewähren sollte. Angesprochen waren Blogger und Instagrammer. Dutzende hatten sich für diese exklusive Burg-Begehung beworben, über 30 nahmen schließlich daran teil. (Was dabei herauskam, ist in unserem Storify zu sehen.)
Aus Berlin, München, Nürnberg, aber auch aus Cadolzburg und Zirndorf sind sie gekommen, etliche mit schwerem Rucksackgepäck, das teure Foto- und Filmausrüstung enthält, um dann schließlich doch an einer Museumsführung teilzunehmen – nicht mehr und nicht weniger. Ein Reinfall? Sicher nicht, kaum einer dürfte sein Kommen bereut haben, was schlicht an der modernen Machart dieses Museums liegt.
Mit Mitteln wie Grafik, Audio, Film und Projektionen an Wände, aber weitgehend ohne dröge Vitrinenkultur erfährt der Museumsbesucher hier mit allen Sinnen, wie beengt 300 Bewohner auf einer Burg zusammenlebten. Der Besuch des Küchenhauses beispielsweise ist mit synthetischen Geruchserfahrungen (Feuergeruch, Räucher-Geschmack) unterlegt, der Ausflug in eine Wandnische, die im Hochmittelalter mit direktem Fallrohr zum Burggraben versehen war und als Toilette genutzt wurde, wird Gottlob nur mit Geräuschen aufbereitet. Das alles können Tausende von Lesern und Bildbetrachtern jetzt miterleben, denn die Blogger und Instagrammer-Kultur dringt bis in die letzten Winkel des World Wide Web.
Claudia Cabinetto und Steve Röder sind eigens für diesen Burgbesuch aus Berlin angereist. Sie studiert Informatik, ihr Begleiter lernt Kameramann. Ihr historischer Blog dient "als Trainingsforum" für die Vermittlung von Geschichte. "Mein Ziel ist es, einmal historische Romane zu verfassen", gibt Claudia Cabinetto preis (www.claudiacabinetto.com).
Stoffhund mit eigenem Account
Ricarda Hollweg (ihr Reiseblog: hidden_trace) wird vom Ehemann Chris begleitet. Er hat einen in die Jahre gekommenen Stoffhund dabei, der als Kunstfigur "@the.lovely.dog" einen eigenen Account auf Instagram besitzt, und seine Reisen in unzählige Länder dokumentiert.
Sinnliches Erfahren auf der Cadolzburg sieht auch Ausflüge in die Küche des Mittelalters vor, was zahlreiche Kochblogger anzieht: Radioreporter und Betreiber eines digitalen Koch-Senders Roland Rosenbauer vom Funkhaus Nürnberg (www.kochblogradio.de) ist aus Forchheim gekommen. Anke Landleiter (mama-geht-online.de) und Peter G. Spandl, dessen Homepage ursprünglich nur die privaten Familienrezepte für die Nachkommen bewahren wollte (https://aus-meinem-kochtopf.de), sammeln ihre Eindrücke.
Nikolaus Schuhmacher, Elektroniker aus Cadolzburg (www.lichtimfokus.de) freut sich, als es weiter geht: Sein Augenmerk gilt architektonischen Besonderheiten, um sie möglichst kunstvoll zu fotografieren. Auch Daniela Schnitzler, IT-Expertin aus München, sammelt "unprätentiös und fernab wissenschaftlicher Attitüde" Eindrücke für ihren Kunstblog (unterwegsinsachenkunst.de).
Es ist ein Vergnügen, den beiden Ausstellungskuratoren Uta Piereth und Sebastian Karnatz zuzuhören, wie sie völlig "analoge" wissenschaftliche Historie und ihre moderne Aufarbeitung im Museum scheinbar mühelos verbinden. Vor einer Plexiglaswand mit einer Lichtinstallation können Besucher den Schwertkampf simulieren. Im vermeintlichen Schlafzimmer wurde das Bett der Fürstin neben eine Strohschütte für Untertanen aufgebaut.
Granaten schlugen ein
"Die historisch echte Nachgestaltung der höfischen Bettwäsche hätte über 20.000 Euro gekostet", erzählt Piereth, weshalb man sich mit einer preiswerteren Replik behilft. Dafür darf man die Schuhe ausziehen und das Bett testen. Es ist nur 1,60 Meter kurz, auch weil man damals wohl im Sitzen schlief. In Gläsern sind Materialien aufbewahrt, mit denen die verschiedenen Matratzen- Lagen gefüllt waren: Daunen sind darunter, aber auch Adlerfedern, auf denen Durchlaucht wunderbar in seine Herrscherträume versinken konnte.
Die letzte Station im Rundgang führt ins "Neue Schloss", den ältesten Teil der Burg. Hier wird erläutert, weshalb die Cadolzburg über Jahrzehnte lang offen stand, der weiteren Zerstörung durch die Witterung preisgegeben: 1933 bis 1945 war hier eine Eliteschmiede der Hitlerjugend eingerichtet. In den letzten Kriegstagen schossen von dort versprengte SS-Kampftruppen auf anmarschierende alliierte Soldaten. Die antworteten mit Granaten und setzten der Hohenzollernveste ordentlich zu: Zeitzeugenberichte von heute, gemischt mit historischen Filmausschnitten liefern Eindrücke aus diesen letzten Tagen des Dritten Reiches – zu sehen sind sie in der Burg auf hochauflösenden Monitoren.
Nicht nur am Ende ist der #HohenzollernWalk ein Besuch auf Augenhöhe: Die Technik des Museums steht der Ausrüstung der Blogger und Instagrammer in nichts nach.
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