Junge Frau auf Tuchfühlung mit dem Tod

02.11.2012, 19:00 Uhr
Junge Frau auf Tuchfühlung mit dem Tod

© Hans Winckler

Tina Zebisch zum Beispiel. Die 17-jährige Fürtherin hat sich für den jungen Ausbildungsberuf „Be-stattungsfachkraft“ entschieden. Als erste Fürther Auszubildende im erst wenige Jahre alten Lehrgang betritt sie Neuland. Was sie aber keineswegs verunsichert. Vielmehr ist sie mit Pioniergeist bei der Sache.

Im Gegensatz zu vielen Mitschülern an der Ullstein-Realschule wusste Tina Zebisch schon früh, wo es beruflich einmal langgehen sollte. Nachdem sie kurzfristig mit der Arbeit in einer Zahnarztpraxis geliebäugelt hatte, schaute sie sich im Rahmen eines Schulpraktikums mit gespannter Neugier beim Bestattungsunternehmen Burger in der Schwabacher Straße um. Ihre Mutter fungierte gewissermaßen als Türöffnerin. Aus ihrer Tätigkeit in der Verwaltung des Fürther Klinikums heraus kennt sie Bestattungsunternehmen und weiß, wie vielseitig und anspruchsvoll deren Berufsfeld ist. Was die Schülerin während des Praktikums kennenlernte, kam ihren vielseitigen Interessen im Umgang mit Menschen sehr entgegen.

Auch daheim war der Tod kein Tabu. Die Mutter hat ihrer Tochter oft vom Sterben und dem Umgang mit Toten berichtet. Das weckte ihr Interesse. Tina Zebisch wollte es genau wissen, dem Tod nicht ausweichen wie viele ihrer Altersgenossinnen, sondern verzweifelten Angehörigen beistehen und für sie den Kampf mit der Bürokratie aufnehmen. „Es gefällt mir, wenn ich anderen helfen kann“, beschreibt die 17-Jährige ihre Motivation. Das Praktikum hat sie überzeugt: Der Beruf liegt ihr. Einfühlungsvermögen ist ebenso gefordert wie Organisationstalent.

Während viele ihrer Mitschüler serienweise Bewerbungen um diverse Ausbildungsplätze schrieben, begnügte sich Tina Zebisch mit fünf. Für sie kam nur eine Tätigkeit in der Bestattungsbranche infrage. Doch es gab eine Schwierigkeit: In Fürth war schlichtweg kein Ausbildungsbetrieb zu finden. Die Schülerin ließ sich jedoch nicht entmutigen und blieb am Ball. Auf ihre hartnäckige Nachfrage hin entschloss sich Johannes Bauer, der als Nachfahre das Familienunternehmen Burger leitet, die Voraussetzungen für eine Ausbildung zu schaffen. Dazu musste er sich zunächst selbst zum Ausbilder weiterbilden und prüfen lassen. Er tat es gern, weil ihm die Perspektiven seines Berufsstandes am Herzen liegen.

Vorgeschrieben ist die spezielle Berufsausbildung nicht, um bei Bestattungsunternehmen tätig werden zu können, doch sie ist zweifellos von Vorteil. Zwar kommt es im Alltag auch auf die Berufserfahrung an, doch das Einstudieren von Totenbräuchen, Behördenregeln, Gesprächsführung und Trauerpsychologie weitet den Blick und eröffnet neue Möglichkeiten. Während der zwei- bis dreiwöchigen Unterrichtsphasen der insgesamt dreijährigen Berufsausbildung lebt die Fürtherin im Wohnheim.

Zauber eines Lächelns

Seit September lernt Tina Zebisch in Theorie und Praxis alles, was auf dem letzten Weg nottut. Verwaltungsaufgaben, Zeremonien, Gespräche führen, Verstorbene präparieren. Auch davor schreckt die Auszubildende nicht zurück. Ein Lächeln ins Gesicht eines Toten zu zaubern, ist für sie keine Hexerei. In Johannes Bauer, der selbst in London eine Ausbildung im Einbalsamieren absolvierte, hat sie einen kundigen Lehrmeister.

Erfolge ermutigen. Dass sie von Angehörigen schon als „Engel“ bezeichnet worden ist, hat Tina Zebisch sehr berührt. Bauer lässt ihr genügend Freiraum, damit sie ihre Fähigkeiten entwickeln kann. Etwa bei Trauerfeiern in der eigenen Trauerhalle des Unternehmens.

An der Berufsschule in Bad Kissingen kann sich die Fürtherin mit Gleichgesinnten austauschen. Es gibt in Deutschland nur drei Berufsschulen für Bestattungsfachkräfte. Im Freundeskreis ist die außergewöhnliche Berufswahl nicht auf Ablehnung gestoßen. Dass sie in Fürth allein auf weiter Flur ist, macht ihr nichts aus. Schließlich sprechen auch die krisensicheren Berufsperspektiven für sich.

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