Kirche des Patrons

18.06.2011, 13:00 Uhr
Kirche des Patrons

© Winckler

Die „moralische Verwahrlosung“ seiner Arbeiter befürchtete Lothar von Faber. Und das war wohl eines der Motive für seine großzügige Stiftung. Als eigenständige Kirchengemeinde existierte Stein damals nicht. Die Mehrheit der Bevölkerung wurde dem Kirchensprengel Zirndorf zugerechnet. Nach einer Sechs-Tage-

Woche in der Bleistiftfabrik war der Fußmarsch zum Gottesdienst in die Zirndorfer Kirche etwas, wovor sich der ein oder andere gerne drückte. Nachdem Bemühungen gescheitert waren, Stein an die Pfarrei Eibach anzugliedern, reiften die Planungen für eine eigene Kirche.

25000 Gulden kostete der neogotische Sakralbau, 16000 Gulden kamen von der Familie Faber. (Für einen Gulden gab es damals in etwa ein halbes Kilo Rindfleisch.) Architekt der Martin-Luther-Kirche war der langjährige Leiter des Nürnberger Bauamtes Bernhard Solger. Kein Zufall dürfte es sein, dass Solger einen Kirchturm entwarf, der einem Bleistift ähnelt.

Mit der Einweihung 1861 war Stein aber noch keine eigene Pfarrgemeinde und der erste vom Patron eingesetzte Pfarrer eigentlich gar keiner: Vikar Friedrich Winter. Er war im Nebenberuf Erzieher im Hause Faber. Bis 1870 war er seelsorgerisch in Stein tätig, dann verließ er den Ort, da er nicht mehr daran glaubte, dass jemals eine Pfarrstelle eingerichtet würde.

Ihm folgte Caspar Eisen nach, zunächst als Vikar, dann aber ab 1880 doch endlich als Pfarrer. Folglich ist die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Steins 19 Jahre jünger als ihre Kirche. Eisen blieb 53 Jahre Seelsorger in Stein, eine nach ihm benannte Straße in der Altstadt erinnert an seine Ära. Ausgewählt wurde der langlebige Herr übrigens vom Patron Lothar von Faber. Eine Tradition, die bis heute wirkt. Den seit sechs Jahren amtierenden Pfarrer Tobias Wittenberg hat Anton Wolfgang Graf Faber-Castell eingesetzt. „Selbstverständlich in Rücksprache mit dem Kirchenvorstand“, wie Pfarrer Wittenberg betont.

Der Siebte einer Reihe

Wittenberg ist erst der siebte Gemeindeseelsorger in der 150-jährigen Geschichte. Den meisten Pfarrern schien es in der Gemeinde wohl gefallen zu haben, denn sie blieben mehrere Jahrzehnte.

Aus der Reihe seiner Vorgänger hebt Wittenberg Pfarrer Ernst Rochholz hervor. Er habe früh vor den Gefahren des Nationalsozialismus gewarnt und ihn als „gottlos“ bezeichnet. Im Kirchenvorstand bezog er gegen den damaligen NS-Bürgermeister Hans End Position. Auch das Aufstellen von Masten mit Hakenkreuzfahnen auf dem Platz vor der Kirche verhinderte er.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Kirchenraum immer wieder umgestaltet. In den 1960er Jahren trennte man sich endgültig vom neogotischen Inneren. Neue Glasfenster, neue Glocken, neue Kunstwerke, eine neue Orgel zogen ein. Geblieben ist stets die Loge, die der Patronatsfamilie Faber-Castell vorbehalten ist. Auch wenn die gepolsterten Stühle nur selten besetzt sind, da die Familie nicht in Stein lebt.

Was eine Kirche lebendig macht, betont Pfarrer Wittenberg, seien jedoch nicht die Bau- und Geschichtsfakten, sondern die individuellen Erlebnisse der Menschen. Die Ausstellung, die drei engagierte Frauen vom Heimatverein, Vorsitzende Brunhilde Inspruckner, Elisabeth Hirschmeier und Grid Bach zusammengetragen haben, erinnert daran. Von der Taufe über Konfirmation und Hochzeit bis zum Tod: Die Ausstellungsstücke, Leihgaben aus Steiner Familien, zeigen die bedeutenden Ereignisse im Leben. Daneben finden sich alte Gebetbücher und Bibeln. Zu sehen sind die Kerzenleuchter, die 1861 den Altar schmückten, alte Fotografien der Pfarrer und der Konfirmandegruppen, ja sogar ein Weihnachtsgottesdienst kann noch einmal nacherlebt werden. „Man kommt ins Gespräch über Gott und die Kirche“, sagt Pfarrer Wittenberg über die kleine Schau. Doch manches, was die Ausstellungsmacherinnen noch selbst erlebt haben, erscheint heute wie ein Anachronismus. „Kirche heute ist anders“, betont der aktuelle Pfarrer und empfiehlt, nach dem Ausstellungsbesuch einen Blick in das Gotteshaus zu werfen, das sich mittlerweile auch für moderne Kunst (wir berichteten) geöffnet hat.

Steiner Heimatmuseum (Mühlstraße 1) ist am Sonntag, 19. Juni, von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Festgottesdienst zum Jubiläum ist am 10. Juli, die Kirchweih am 28. August.