Mit gnadenloser Gier
28.11.2012, 11:00 UhrStadttheater, Nathanstift, die Volksbücherei, ein Entbindungshaus – jüdische Stiftungen prägten Fürth und tragen bis heute zum Wohl der Stadt bei. Im November 1935 wurde diese Tatsache mit einem Federstreich vom Tisch gewischt. Fürths NSDAP-Oberbürgermeister Franz Jakob ersetzte die jüdischen Mitglieder in den Stiftungsausschüssen durch NS-Räte, die von nun an das Sagen hatten. Juden waren ab sofort als Empfänger von Hilfen ausgeschlossen. Die Namen Krautheimer Krippe, Nathanstift und Berolzheimerianum wurden ausradiert.
Seit 1933 preschte die Gauleitung Franken mit Julius Streicher an der Spitze in Nürnberg ebenso wie in Fürth reichsweit vor, einen infamen Plan in die Tat umzusetzen: Die „Arisierung“ – ein Wortmonster aus dem völkisch-antisemitischen Gedankengut der 1920er Jahre – zielte auf die Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz der jüdischen Bevölkerung. Mit beispielloser Skrupellosigkeit, korrupt und stets die persönliche Bereicherung im Visier, beraubten Amtsträger, Parteigenossen, aber auch Menschen, die mit ihnen bis vor kurzem in guter Nachbarschaft gelebt hatten, die jüdischen Mitbürger ihrer Lebensgrundlage und trieben sie in den „Finanztod“.
Die Ausstellung „Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt.“ ermöglicht zum ersten Mal eine Annäherung an dieses Thema, das jahrzehntelang nahezu nicht berührt wurde – nicht zuletzt, weil die Finanzbehörden die Einsicht in Akten verweigerten, die ihre Verstrickung belegen. Zu den ausgewiesenen Fachleuten, die die ebenso wichtige wie sehenswerte Schau im Dokuzentrum erarbeiteten, gehören unter anderem Gisela Naomi Blume, Barbara Ohm und Siegfried Imholz aus Fürth. Im gleichnamigen Begleitbuch zur Ausstellung setzt sich Imholz mit der „Arisierung in Fürth“ auseinander. Eine Skizze nur, sagt er, denn noch immer fehlt für die Stadt eine umfassende Dokumentation über den planmäßigen Raub an der jüdischen Bevölkerung.
77135 Menschen lebten im Juni 1933 in Fürth. 1990 von ihnen, das sind 2,6 Prozent, waren Juden. Einige hundert „Arisierungs“-Gewinnler, schreibt Imholz, waren in Fürth direkt oder indirekt an der Verdrängung der jüdischen Bevölkerung aus der Wirtschaft beteiligt: „Die Unternehmer Eckart, Hettrich, Metz, Schickedanz und Soldan, die Einzelhändler Bätz, Böhm, Dech, Maag, Pöhlmann, Schöll und Wörner, die Makler Löffler, Pfarrer und Wiest seien stellvertretend erwähnt.“
Besitz beschlagnahmt
So erwarb zum Beispiel der Fürther Unternehmer Jacob Eckart, Direktor der Eckart GmbH & Co KG in Fürth, mehrere Betriebe und Grundstücke aus jüdischem Besitz. Dabei stand ihm als Mitinhaber sein Sohn Carl Eckart zur Seite, beide wurden nach 1933 Mitglieder der NSDAP. „Anfang 1941 eignete sich Jacob Eckart Grundstück und Haus der Familie Baer in der Sommerstraße 8 zu dem von den Nationalsozialisten festgelegten Verkehrswert von 49700 Reichsmark an. Die ehemaligen Miteigentümer Babette, Hans und Herbert Baer, die sich in die Emigration retten konnten, wurden ausgebürgert und ihr Besitz beschlagnahmt.“
Haus und Grundstück in der Aldringerstraße 17 erwarb Jacob Eckart im März 1941. Die Eigentümerfamilien waren 1936 emigriert und ausgebürgert worden, drei Familienmitglieder wurden 1942 in Auschwitz ermordet. „Ihre Sperrkonten verfielen dem Deutschen Reich“. Eckart habe allerdings, so Imholz, nicht den festgesetzten Verkehrswert ihres Hauses zahlen wollen. „Deshalb intervenierte die ,Arisierungsstelle‘ der Gestapo beim Oberbürgermeister in Fürth, mit Erfolg.“ Der Kaufpreis wurde für Eckart um 12650 Reichsmark reduziert. 1940 wurde Jacob Eckart zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. „Durch die ,Arisierungen‘, durch Rüstungsaufträge und den Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen stieg der Umsatz pro Arbeitskraft von 12000 auf 21400 Reichsmark jährlich, der Umsatz der Eckart GmbH & Co KG von 1940 bis 1944 von durchschnittlich 7 auf 18,5 Millionen Reichsmark pro Jahr.“
Die Stadt profitierte
Von den Deportationen in die Vernichtungslager profitierte die Stadt Fürth. In Absprache mit den staatlichen Stellen – Gestapo und Oberfinanzpräsident – bekam sie den Zugriff auf alles, was die vertriebenen und verschleppten Juden zurücklassen mussten. Hausrat und Wohnungsinventar wurde versteigert. „Es kam“, notiert Siegfried Imholz, „zu regelrechten Schnäppchenjagden.“ Wie es sich gewohnt haben mag, mit den Sachen, die vor kurzem noch in den Wohnungen der jüdischen Mitbürger standen?
Dass ,Arisierung‘, Hass und Hetzkampagnen nicht die Sache einiger weniger Parteigenossen und NS-Schergen waren, zeigt auch ein Leserbrief aus Fürth, den Streichers unsäglicher „Stürmer“ im November 1938 druckte. Dort heißt es: „In den Läden bewegten sich Jüdinnen wieder laut und frei und taten so, als wäre das Dritte Reich eine gewesene Sache! – Aber das liegt viel an den Geschäftsleuten selbst, indem sie die Juden genauso behandeln wie uns Deutsche und als gäbe es überhaupt keine Judenfrage.“
Im Gästebuch der vor kurzem eröffneten Ausstellung im Dokuzentrum sind bisher naturgemäß erst wenige Einträge zu finden. Drei davon setzen sich allerdings mit der widersprüchlichen und heiklen Rolle von Gustav Schickedanz während der „Arisierung“ auseinander, die ebenfalls in der Ausstellung thematisiert wird: „Pfui, Herr Schickedanz“, schreibt ein Besucher — und fordert ebenso wie der Autor eines weiteren Eintrags kategorisch, dem Gründer des Versandhauses Quelle umgehend die Ehrenbürgerwürde der Stadt Fürth zu entziehen.
„Entrechtet. Entwürdigt. Beraubt. Arisierung in Nürnberg und Fürth“: Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Bayernstraße 110. Zu sehen ist die Ausstellung bis 31. Juli 2013. Informationen zum Begleitprogramm gibt es im Internet unter der Adresse museen.nuernberg.de
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