Personalie mit Sprengkraft

29.6.2014, 11:05 Uhr
Personalie mit Sprengkraft

© Horst Linke

Am Mittwoch hat der Stadtrat in nicht-öffentlicher Sitzung entschieden, wer sich in Fürth künftig um die Belange des Denkmalschutzes kümmern soll. Zur Debatte standen zu diesem Zeitpunkt nur noch zwei von zuletzt fünf Kandidaten: Alexander Mayer, der den Posten des Stadtheimatpflegers seit 2004 innehat, und Karin Jungkunz. Die Wahl fiel auf Jungkunz. Die 56-Jährige ist gelernte Diplomverwaltungswirtin und leitet im Hauptberuf das Büro des Landrats des Kreises Erlangen-Höchstadt. Sie ist in Fürth geboren und hier seit vielen Jahren als Stadtführerin aktiv. Kulturreferentin Elisabeth Reichert, in deren Ressort die Heimatpflege fällt, spricht von einer schwierigen Entscheidung. Man wisse, was man an Mayer habe, einen "fachlich qualifizierten Historiker", doch sie schwärmt auch von "tollen Ideen" und einem "neuen Blick auf die Stadt", mit denen Jungkunz punkte.

Personalie mit Sprengkraft

© André De Geare

Noch am Mittwoch, kurz nach der Wahl versandte der amtierende Stadtheimatpfleger seinen Rundbrief Nummer 85. Und der hat es in sich. Mayer wirft Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) darin vor, sich einen kritischen Sachwalter des Denkmalschutzes vom Hals geschafft und eine "bewährte Parteisoldatin" ins Amt gebracht zu haben. Mayer, der der SPD selbst seit 23 Jahren angehört, diese Woche aber aus der Partei ausgetreten ist, geht noch weiter: Er bezichtigt Jung nicht nur, keine Denkmalschutzdebatten mehr haben zu wollen. Das Demokratieverständnis des OB, poltert er weiter, "nähert sich jenem Wladimir Putins an". Mayer prangert mit Blick auf den Abbruch des Festsaals, der als Teil des Park-Hotels trotz großer Proteste letztlich der Neuen Mitte Platz machen musste, "rechtswidrige Abrissgenehmigungen" und mafiöse Strukturen im Rathaus an: "Diejenigen mit direktem Draht zum OB bekommen alles genehmigt, auch gegen die fachliche Stellungnahme des Denkmalschutzes." Alle anderen müssten sich an die Auflagen halten.

OB Jung weist sämtliche Vorwürfe zurück. Er habe sich in seinem Job um die kleinen Leute ebenso zu kümmern wie um Investoren, kontert er und bezeichnet den Rundbrief als "Kette haltloser Diffamierungen und Beleidigungen". Mit der Putin-Äußerung disqualifiziere sich Mayer selbst, so Jung, und seine Wortwahl offenbare "in erheblichem Ausmaß Defizite im Umgangston". Den Vorwurf, er wünsche keine Denkmalschutzdebatten mehr, nennt der OB "völlig absurd".

„Persönliche Verletztheit“

Die Frage, ob Mayer von seinem Ehrenamt, für das ihm pro Monat 400 Euro Aufwandsentschädigung zustehen, angesichts der offenen Querelen vorzeitig abtreten sollte, verneint er selbst übrigens ebenso wie der OB. Auch die Kulturreferentin möchte, dass Mayer bis zum Ende seiner Amtszeit bleibt. "Ich spüre seine persönliche Verletztheit und Enttäuschung, dass er nicht wiedergewählt wurde", sagt Reichert, betont aber auch, dass sie sein Schreiben stellenweise "ungeschickt" bzw. "unerträglich" findet.

Das Amt des Stadtheimatpflegers ist erst seit kurzem an die Legislaturperiode geknüpft. Der Stadtrat hat die betreffende Satzung 2012 dahingehend geändert. Reichert saß nun mit Vertretern der Stadtratsfraktionen und der Verwaltung in jener sechsköpfigen Jury, die unter zuletzt fünf Interessenten für die Stadtheimatpflege eine Vorauswahl zu treffen hatte. Der OB sei in die Entscheidungsfindung nicht eingebunden gewesen, versichert sie. Und: "Es gab keine Handlungsanweisung." Die Jury habe alles getan, um eine fachlich gute Entscheidung für die Zukunft der Stadt Fürth zu treffen und dabei inhaltlich auf hohem Niveau diskutiert. Nach der "Kompromissfähigkeit" der Kandidaten , wie Mayer kritisiert, sei im Übrigen nicht gefragt worden.

Klar ist, dass zwischen den Vorstellungsgesprächen und der endgültigen Entscheidung im Stadtrat Interna nach außen drangen. CSU-Fraktionschef Dietmar Helm kritisiert dies als massiven Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht bei nicht-öffentlichen Sitzungen. Da nicht alle Kandidaten diese Insiderinformationen erhielten, hätten auch nicht alle nochmals für sich werben können. Karin Jungkunz aber habe sich per Mail an die Vertreterin der CSU gewandt, "diese auf ihre Argumente und Haltung konkret angesprochen und ein Gespräch mit der Fraktion angeboten".

Die Stadtheimatpflegerin in spe macht kein Hehl daraus, dass sie eine solche Mail geschrieben hat. "Aber ich bin mir keinerlei Schuld bewusst." Sie habe erfahren, sagt sie, dass es bei dem einen oder anderen Jury-Mitglied Zweifel gab, ob sie beispielsweise genug Zeit für den Job des Stadtheimatpflegers mitbringe, sagt Karin Jungkunz. Doch sei ihr diese Information keineswegs gezielt von der SPD zugetragen worden. Der Partei gehöre sie im übrigen zwar an, doch stehe das in keinem Zusammenhang mit ihrer aktuellen Bewerbung.

Wer die besagten Zweifel hege, das habe sie sich nach der Befragung durch die Jury auch zusammenreimen können. "Meine Absicht war lediglich klarzustellen, dass solche Zweifel unnötig sind", erklärt Jungkunz und verweist darauf, dass sie in Erlangen nur Teilzeit arbeite. Sie bittet, man möge sie ihren neuen Job als Stadtheimatpflegerin ab September machen lassen und sie dann an den Ergebnissen dieser Arbeit messen.

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