Poesie der Harfen
30.11.2016, 12:46 UhrDer Applaus, der durch die Auferstehungskirche schallt, klingt ein wenig gedämpft, obwohl das Gotteshaus voll ist; sogar auf den Emporen sitzen die Zuhörer. Das liegt an den blauen Handschuhen, die am Eingang verteilt worden sind, Handschuhe der Künstlerin Petra Annemarie Schleifenheimer, die mit dieser Kunstaktion die beim Klatschen freiwerdende Energie erlebbar und gleichsam sichtbar werden lassen möchte.
Gleichzeitig, so regt Moderator und Sprecher Michael Herrschel an, mag der gedämpfte Klang Assoziationen an verschneite Wälder wecken, das Drinnen des Kirchenraums mit dem Draußen der Winternacht vermischen, denn dieses Winterempfinden ist es, dem das Konzert „Harfenwald“ nachspürt. Das beginnt mit dem Chopin'schen Nocturne, das Sirka Schwartz-Uppendieck auf dem Klavier als Prolog erklingen lässt, ein auf etwas distanzierte Weise liebliches Werk, in dem Töne gegeneinander klirren, nicht scharf, aber kühl wie Schnee oder frostiges Sternenlicht.
Winterliche Träumerei
Es folgen Solostücke auf der Harfe – auf den Harfen vielmehr. Sechs dieser großen und sonst fast immer nur einzeln zu sehenden Saiteninstrumente stehen im Altarraum der Kirche, ein „Harfenwald“ eben, und alle sechs Musikstücke passen sich in die Gedankenwelt des Spaziergangs im Schnee, der winterlichen Träumerei ein. Selbst Claude Debussys „Clair de lune“ (gespielt von Claire Augier de Lajalett) gewinnt in diesem Zusammenhang etwas Kühles, Fernes. Gedämpft und geheimnisvoll erst, dann metallisch und beinahe misstönend lässt Anna-Maria Frankenberger die „Cloches sous la neige“, die Glocken unter dem Schnee, von Marcel Tournier erklingen.
Am Ende kommen dann alle sechs Harfen, das Klavier und der Erzähler zusammen in einem „musikalischen Märchen“ aus der Feder von Michael Herrschel, der den Monolog eines Autors, der sich im winterlichen Park verirrt, vorträgt, untermalt und begleitet von der Musik. Es ist eine eigenartige Geschichte voll starker, poetischer Bilder von fallenden, flirrenden Schneeflocken, Schwerelosigkeit und der Kraft der Phantasie, mal ein wenig zu pathetisch, mal unnötig ins Detail gehend, zwischen moderner Lebenswelt inklusive investigativem Journalismus und magischem Realismus pendelnd.
Nicht unbedingt jedermanns Sache, aber insgesamt greifen Herrschels Text und Uwe Strübings Musik schön ineinander, lassen die Harfen etwa das Herabrieseln und Wispern der Schneeflocken, das Flirren des Lichts und die Schwerelosigkeit des Erzählers im märchenhaften Park ebenso bildhaft hervortreten wie die Worte.
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