Spagat zwischen Job, Kind und Haushalt
12.11.2012, 11:00 Uhr
Familienfreundlichkeit sei ein Thema, das angesichts des Fachkräftemangels zunehmend an Bedeutung gewinne. Übereinstimmend vertraten Landrat Matthias Dießl und Christian Bühler vom IHK-Gremium Fürth diese Auffassung
Dass der Landkreis und seine 14 Kommunen ihr Gutteil dazu beitragen, dass Familie und Job vereinbar sind, konnte der Landrat mit Zahlen untermauern: Inzwischen sei man auf einem guten Weg, für 47 Prozent der Unter-Dreijährigen in den Städten und Gemeinden Betreuungsplätze anbieten zu können.
Dass dies dringend nötig sei, unterstrichen die Kurzreferate von Bühler und Alexandra Beer, Geschäftsführerin des Autohauses Röder und Mitglied der Wirtschaftsjunioren Fürth.
Bühler bezeichnete das 21. Jahrhundert als das Jahrhundert der Frauen. Sie stellten inzwischen die Mehrheit beim Abitur und an den Universitäten, in naher Zukunft würden sie Spitzenpositionen in Unternehmen besetzen. So werde nicht nur der Ruf nach flexibler Kinderbetreuung immer lauter, sondern auch nach flexiblen Arbeitszeiten. Seine These: Unternehmen, die ihren Mitarbeitern, Müttern oder Vätern, dies ermöglichten, hätten am Ende „treue Mitarbeiter“.
Alexandra Beer unterstrich, dass nicht nur die Höhe des Gehalts zähle, sondern ebenso die familienfreundliche Haltung im Unternehmen. Doch auch in der Gesellschaft sei ein Umdenken nötig. Dazu hatte die Firmenchefin ein Beispiel aus ihrem Alltag parat: Sie musste einem Kunden mitteilen, dass sich der Werkstattleiter in einer zweimonatigen Erziehungszeit befinde. Gegenfrage des Kunden: „Hat das Kind keine Mutter?“ „Solche Äußerungen machen mir Angst“, sagte Beer, es müsse eine Selbstverständlichkeit sein, dass sich Mütter und Väter die Erziehungsarbeit teilen. Genauso, dass Kinderbetreuung bezahlbar sei und nicht einen Großteil des Einkommens auffresse.
Dass andere europäische Länder hier schon weiter sind, berichtete Alexander Weih von der Madeleine Mode GmbH in der anschließenden Podiumsdiskussion. Er hat mehrere Jahre in Dänemark gearbeitet. Dort werden fast alle Kinder von sieben bis 17 Uhr betreut, entsprechend seien in den Unternehmen auch die Arbeitszeiten geregelt. Auch dass Mütter und Väter sich zu gleichen Teilen um den Nachwuchs kümmern, sei in dem skandinavischen Land kein Thema. Fast 100 Prozent der Frauen würden dort in ihren Job zurückkehren, ohne als schlechte Mütter angesehen zu werden.
Firmeneigene Krippe
Wie Unternehmen auf die Veränderungen in der Gesellschaft reagieren können, dazu gab es etliche Beispiele, aber auch offene Fragen. Ralf Heyen, Personalverantwortlicher bei der Faber-Castell AG, erläuterte die flexiblen Arbeitsmodelle in fast allen Bereichen des Unternehmens und berichtete über die geplante firmeneigene Kinderkrippe. Zugleich musste er einräumen, dass in der Produktion, flexible Arbeitszeitmodelle schwierig zu organisieren seien. An einem Hoch-Lohn-Standort wie Deutschland müssten die Maschinen eben rund um die Uhr laufen.
Doch was die größeren Firmen leisten können, dazu sind die Kleinen nicht in der Lage. Helga Löw, Chefin eines Betriebs mit 35 Mitarbeitern: „Bei uns kann keiner länger ausfallen, unsere Kunden warten nämlich nicht.“ Sie setzt deshalb auf den persönlichen Draht zu ihren Beschäftigten. So sei es selbstverständlich, dass Mitarbeiter, die ihr Kind morgens in die Kita bringen müssten, später mit der Arbeit beginnen könnten. „Wenn alle Stricke reißen, ist es auch möglich, das Kind mit in die Firma zu bringen.“ Grundsätzlich hielt sie fest: Kinderbetreuung, mehr Familienfreundlichkeit sei eine Aufgabe zu der kleine Firmen oder das Handwerk nur wenig beisteuern könnten.
Job-Sharing im Amt
Leichter ist es da schon im öffentlichen Dienst. Sigrid Krach vom Landratsamt sprach von 70 verschiedenen Arbeitszeitmodellen, die es im Landratsamt gebe: „Wir können fast individuell auf Bedürfnisse eingehen.“ In leitenden Positionen gebe es auch die Möglichkeit des Job-Sharing, also zwei Beschäftigte teilen sich eine Stelle und einen Arbeitsbereich. Krach musste allerdings einräumen, dass dies in einer Behörde, in der viele Menschen mit ähnlichen Qualifikationen arbeiten, natürlich leichter umzusetzen sei, als in einem Unternehmen mit vielen Menschen, die über Spezialwissen verfügen.
„Die familiengerechte Wirtschaft, nicht die wirtschaftsgerechte Familie“ sei das Ziel, hatte Maximilian Gaul vom Familienbündnis des Landkreises zu Beginn gesagt. Die Bilanz des Unternehmertags im Landratsamt zog Alexander Weih: „Die Tabus in den Unternehmen und in den Köpfen brechen. Wir sind auf einem guten Weg.“
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