Stadtspitze bekräftigt: Fürther Altstadt wird kein urbanes Gebiet
15.1.2017, 10:00 UhrIn den Jahren des Lärmstreits haben schon viele Pressegespräche in der Gustavstraße stattgefunden. Diesmal lud der Fürther SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Träger dazu ein – und brachte einen Kollegen aus Berlin mit: Michael Groß, der für den Wahlkreis Recklinghausen II im Bundestag sitzt. Als baupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist er vorne dran, wenn es darum geht, dem Gesetzentwurf von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) für urbane Gebiete zu einer Parlamentsmehrheit zu verhelfen.
Groß weiß, dass man in Fürth darüber nachgedacht hat, ob sich mit dem urbanen Gebiet möglicherweise ein ganz spezielles Problem lösen lässt: In solchen Gebieten, die ähnlich wie Mischgebiete ein Miteinander von Wohnen, Arbeit und Freizeit erlauben, sollen nach Vorstellung der Ministerin künftig leicht erhöhte Lärmgrenzwerte gelten. Es geht um drei Dezibel mehr, als die TA Lärm für Mischgebiete vorsieht. Carsten Träger sah rasch die Chance, dass der Vorstoß Perspektiven im Fürther Lärmstreit bieten könnte.
Das hofft er noch immer – auch wenn das Gesetz nicht direkt zum Zuge kommt. Bereits im Herbst hatte sich Fürths Baureferent Joachim Krauße festgelegt: Ein urbanes Gebiet soll die Altstadt nicht werden. „Wir wollen nicht von einem Extrem ins andere fallen“, erklärte nun auch OB Thomas Jung beim Pressetermin. Man wolle bis zum Sommer zwar den Bebauungsplan für das Viertel ändern und den bisher geltenden besonderen Schutz der Anwohner aufheben. Das Ergebnis aber soll sein, dass sie künftig jenes Normalmaß an Schutz genießen wie Fürther in anderen Mischgebieten. Schlechterstellen wolle man sie nicht. „Wir wollen bewusst deeskalieren“, fügt Jung hinzu. Einig sind sich indes der OB, Krauße und Träger, dass die Einführung der urbanen Gebiete der Kommune vor Gericht helfen könnte. „Man ist in einer besseren Position, wenn der Gesetzgeber grundsätzlich auch höhere Lärmwerte erlaubt“, sagt Träger. Wenn klar sei, dass auch bei drei Dezibel mehr ein gesunder Schlaf garantiert sei.
Was hinter dem Vorstoß steckt, erklärte sein Kollege Groß: Man will es Städten erleichtern, Viertel nachzuverdichten. Kommunen wären freier als bei Mischgebieten, wo das Verhältnis von Wohnen und Gewerbe fest definiert ist. „Man könnte dann auch ein reines Wohnhaus hinstellen, wo man sonst im Erdgeschoss Ladenflächen haben müsste“, erklärt Krauße.
Aus einer anderen Zeit
Oder: Man könnte leichter Baulücken in Gründerzeitvierteln schließen, „die nur entstehen konnten, weil es die Gesetze noch nicht gab“. Wo also alte Häuser stehen, die mitnichten heutige Lärmgrenzwerte einhalten: etwa weil die Straße vor der Haustür inzwischen vielbefahren ist.
Die TA Lärm, kritisiert Krauße, berücksichtige nicht, dass es längst technische Möglichkeiten gibt, Räume vor Lärm zu schützen. Es sei nicht mehr zeitgemäß, dass sie verlangt, den Pegel generell vor der Fassade zu messen – anstatt nachts im Schlafzimmer, hinterm Schallschutzfenster.
Den Typus „urbanes Gebiet“ halten Krauße und Jung in Fürth eher für „interessant, wo wir Neues entstehen sehen“ (Jung): Relevant werden könnte die Option speziell auf dem Areal rund um den Lokschuppen, wo die Stadt – nah an den Gleisen und der vielbefahrenen Gebhardtstraße – Büros, Forschungsstätten und Wohnungen für Studenten plant.
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