Strom vor der Haustür im Fürther Land
11.10.2016, 13:00 Uhr„Unsere Region muss ein Zeichen setzen“, sagt Gabi Schmidt, die als Uehlfelderin den Stimmkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim und Landkreis Fürth mit Ausnahme der Städte Zirndorf, Oberasbach und Stein vertritt. Sie greift den Vorschlag auf, den vor ihr schon die Gegner der Stromtrasse hatten: „Statt Strom vom Norden her über hunderte Kilometer hinweg zu uns zu leiten, können wir ihn auch selber sauber vor Ort produzieren. Damit machen wir uns unabhängig und behalten die Wertschöpfung in der Region.“
Schmidt hat zu dem Thema Anfragen an die Staatsregierung gestellt. Die Antworten stimmen die Politikerin optimistisch. Der Landkreis steht mit seinen 18 Windkraftanlagen auf Platz 16 in Bayern und damit im vorderen Drittel.
Vorreiter sind dabei Wilhermsdorf und Großhabersdorf. In beiden Gemeinden wird deutlich mehr Energie erzeugt als verbraucht wird. So hat Großhabersdorf drei Windräder, zwölf Biomasseanlagen und vier Photovoltaikanlagen auf seinem Gebiet, die zusammen jährlich 19 Gigawattstunden (GW) an erneuerbarer Energie produzieren. Verbraucht werden vor Ort aber nur zwölf GW. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Haushalt benötigt 3500 Kilowattstunden Energie, die Großhabersdorfer Anlagen können also über 5400 Haushalte versorgen.
Noch größer ist der Überschuss in Wilhermsdorf: Windräder, Biomasse- und Photovoltaikanlagen kommen zusammen auf 23 GW. Dem steht ein Verbrauch von 15 GW in der Gemeinde gegenüber.
Großes Defizit
Diese dezentrale Energieerzeugung sollte weiter ausgebaut werden, fordert die Landtagsabgeordnete anstelle einer unterirdischen Stromautobahn. Und das wäre auch dringend nötig, wenn die Region autark werden möchte. Die Zahlen aus den einwohnerstärkeren Kommunen belegen das. Cadolzburg erzeugt gerade einmal fünf GW erneuerbare Energie, 48 GW verbrauchen die Bürger hingegen. In Oberasbach kommt man auf zwei GW Strom aus Wind, Sonne und Biomasse und einen Verbrauch von 43 GW. Genauso niedrig ist die Ausbeute in Stein, bei einem Verbrauch von 45 GW. Zirndorf hat gar ein Defizit von 95 GW bei einer Erzeugung von fünf GW erneuerbarer Energie, die hauptsächlich dank Photovoltaik zustande kommt. In die Verbrauchszahlen gehen natürlich nicht nur die privaten Haushalte ein, sondern auch Gewerbe und Industrie. So kann eine kleinere Kommunen durchaus mehr Energie benötigen, weil sie einen Betrieb angesiedelt hat, der einen entsprechend hohen Verbrauch hat.
Zumindest was die Windkraft betrifft, gibt es aktuell im Landkreis Fürth keinen einzigen Antrag auf eine Baugenehmigung einer Anlage. Auch diese Antwort hat Gabi Schmidt auf eine Anfrage im Landtag bekommen. Der Ausbau im dicht besiedelten Landkreis stagniert.
Die regionalen Initiativen, die sich mit vielen einfallsreichen Aktionen gegen die oberirdische Stromautobahn quer durch Deutschland kämpften, sind ruhig geworden. „Es ist schwierig, die Leute bei der Stange zu halten, wenn sie nicht mehr betroffen sind“, sagt Andrea Platzer von der Bürgerinitiative aus Raitersaich — das Dorf, das nach den ersten Trassenplänen komplett von Strommasten umstellt gewesen wäre. Zwar würden alle spätestens an den steigenden Strompreisen sehen, welche Folgen der geplante Ausbau habe, aber jetzt gegen die unterirdischen Leitungen von Schleswig-Holstein nach Bayern zu mobilisieren, hält sie für kaum möglich. Grundsätzlich aber favorisiert auch die Aktivistin die Idee der dezentralen Versorgung mit Energie. Die Diskussion darüber müsse weiter geführt werden, meint sie.
Ein neues Argument wirft Reinhard Schechinger von der BI aus Obermichelbach in die Debatte. Er ist der Überzeugung, dass die Behauptung, der Süden würde Windstrom aus dem Norden bekommen, nur vorgeschoben ist. Tatsächlich gehe es um Kohlestrom aus fünf Kraftwerken in der Lausitz, der abtransportiert werden müsse. Da gleichzeitig Strom aus erneuerbarer Energie und auch aus mehreren noch laufenden Atomkraftwerken eingespeist werde, sei das Netz überfordert. Kämen die neuen Trassen, würde der Kohlestrom quasi „kostenfrei“ transportiert werden, da die Netzkosten der erneuerbaren Energie zugerechnet würden. „Kohlestrom gut — Ökostrom schlecht – ein grandioser politischer Schachzug“, kommentiert Schechinger.
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