Türkische Filmreihe startet im Fürther Babylon-Kino

13.1.2016, 23:00 Uhr
Türkische Filmreihe startet im Fürther Babylon-Kino

© Foto: Thomas Scherer

Kann und darf man überhaupt von einem spezifisch türkischen Film reden, analog zum „typisch“ deutschen oder französischen Kino? Diese Gedanken haben sich auch die „SineKültür“-Organisatoren, die Filmemacher Gülseren Suzan, Jochen Menzel und Babylon-Programmgestalter Tobias Lindemann gemacht. Denn einerseits gibt es zwar eine florierende türkische Unterhaltungsfilmkultur. Doch die kritischen und unabhängigen Arbeiten entstehen meist in internationalen Gemeinschaftsproduktionen oder stammen von türkischen Regisseuren und Schauspielern, die im Ausland leben.

Türkischer Film hierzulande: Da fallen einem zuerst der Regisseur Fatih Akin und Schauspielerin Sibel Kekilli ein, die mit „Gegen die Wand“ für Furore sorgten. Auch schon wieder zwölf Jahre her. Kaum erhielt Akin dafür den Goldenen Bären, da entbrannte ein politischer Streit zwischen Deutschland und der Türkei, wem die Auszeichnung denn nun gebühre.

Akin und Kekilli sind beide in Deutschland geboren und aufgewachsen, begreifen sich aber dennoch als Türken. „Nun ist es allerdings nicht so, dass Deutschland die türkischen Mitbürger für sich gepachtet hat, andere europäische Länder verfügen ebenfalls über eine große Anzahl Türken“, erklärt Tobias Lindemann. Gülseren Suzan ergänzt: „Heute definieren sich Filmemacher nicht mehr nach ihrer Nationalität, sondern nach den Geschichten und Gefühlen, die sie vermitteln.“

Immerhin, die Themen, die die ersten drei Filme der Reihe behandeln, beziehen sich alle auf die türkische Gesellschaft und ihre Wahrnehmung. „Sivas“, mit dem „SineKültür“  am Mittwoch gestartet ist, behandelt anhand der Geschichte eines Dorfjungen, der sich eines verwilderten Hundes annimmt, das rigide Männerbild in Anatolien. „Die Buben werden schon früh in ein männliches Rollenbild hineingedrängt“, erklärt Jochen Menzel. „Und wer nicht Manns genug ist, erfährt deutliche Ablehnung“, weiß Gülseren Suzan.

Oscar-Kandidat

Das feministische Gegenstück dazu liefert am 9. März „Mustang“ der Regisseurin Deniz Gamze Ergüven. Fünf Schwestern werden zuhause wie in einem Gefängnis gehalten, unterwerfen sich Zucht und Ordnung und harren der Zwangsverheiratung. Dagegen lehnen sie sich auf. Das klingt nach ein bisschen viel auf einmal, doch die Regisseurin will anhand der fünf Schwestern die ganze Bandbreite an weiblicher Benachteiligung demonstrieren. „Mustang“ ist übrigens eine Vierländer-Koproduktion, an der sich sogar Katar beteiligt. Das Drama bewirbt sich um den Oscar für den besten fremdsprachigen, also nicht englischen Film — und geht für Frankreich ins Rennen.

Ein türkisches Thema muss also nicht zwangsläufig aus der Türkei stammen. Der wohl brisanteste Beitrag stammt aus Deutschland. Das Dokudrama „Der Kuaför aus der Keupstraße“ von Andreas Maus (10. Februar) zeichnet die Ermittlungen zum Anschlag in Köln 2004 nach, als eine Nagelbombe 22 Menschen schwer verletzte. Erst sieben Jahre später stellt sich heraus: Die Terrorgruppe NSU hat das Attentat verübt. Bis dahin standen die Opfer unter Generalverdacht, gingen die Ermittler von einem Racheakt unter Türken aus. Übrigens: Kuaför ist das türkische Wort für Coiffeur.

Alle Filme laufen am jeweils zweiten Mittwoch im Monat in der Originalfassung mit deutschen Untertiteln. Zur Einstimmung gibt es jeweils noch einen Kurzfilm. Die Reihe „SineKültür“ ist zunächst für ein halbes Jahr angelegt. Wenn es gut läuft, wird sie fortgesetzt oder gar auf zwei oder drei monatliche Vorstellungen ausgeweitet. Eine Fotoausstellung von Jochen Menzel im Babylon-Gastrobereich begleitet die Eröffnung morgen und sorgt für typisch anatolisches Flair.

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