V wie Verzweiflung, Versagen und Vertuschung

14.4.2014, 13:00 Uhr
V wie Verzweiflung, Versagen und Vertuschung

© Horst Linke

Krim-Konflikt, NSA-Affäre, Fall Edathy: Eine Krise jagt die nächste. Prompt ist der NSU-Skandal in den Hintergrund gerückt, obgleich noch immer die Frage offen ist: Wie konnte das Neonazi-Trio 13 Jahre lang vor den Augen des Verfassungsschutzes (VS) ungehindert morden? Was tut der Verfassungsschutz, brauchen wir ihn überhaupt?

Nach Angaben der Behörde beantworten drei Viertel der Bundesbürger diese Frage mit einem „Ja“. Das Nö-Theater Köln stellt dem jedoch ein klares „Nö!“ entgegen. Das Darstellertrio Talke Blaser, Felix Höfner und Asta Nechajute (Inszenierung: Janosch Roloff) setzt dem VS ein Theater-Denkmal nach dem Motto: „Wir kamen, sahen weg und versagten“. Gezeigt werden die für den VS fünf peinlichsten Fälle nebst V-Mann-Pannen. 

Dazwischen tanzt fröhlich Leo Lupix, das Maskottchen des Verfassungsschutzes. Die Kölner Truppe hebt den Zeigefinger und deutet an: V wie Verzweiflung, Versagen, Vertuschung. Das kleine Ensemble bemüht sich rund 100 Minuten lang, dem Publikum nahezubringen, wie der deutsche VS tickt. Dabei gelingen einige sehr gute Szenen, andere lassen sich eher mit der Kurzformel „L wie langweilig“ umschreiben. Man lernt gleichwohl viel über diese Behörde, in der geschredderte Akten und vertuschte Beziehungen zum Alltag gehören. Die drei Schauspieler schlüpfen in immer neue Rollen. Verzweifelt windet sich Höfner durch seine Versuche, den absurden Beamtenapparat zu erklären. Ob es dazu nötig ist, die Hose auszuziehen („Ja, ich weiß, das haben sie schon 1000 Mal auf der Bühne gesehen!“), bleibt eine Geschmacksfrage; manche Regisseure können ohne dieses Quantum Nacktheit offenbar nicht arbeiten. Höfner verweist auf die riesige Leinwand hinter ihm, zugepflastert mit Zeitungsartikeln, Reportagen und Meldungen über die Vorgehensweise des Verfassungsschutzes. Und hier steht Schwarz auf Weiß, wie skandalös dieses Organ jahrelang gearbeitet hat.

Infos gegen Geld


In einer weiteren Szene mutiert Höfner in einer Bomberjacke zum rechtsextremen Kneipenwirt, während Asta Nechajute als Verführerin ihrem VMann Informationen entlockt. Es geht um Infos gegen Geld: Die Scheine fließen in Strömen in die Taschen von Neonazis, alles im Namen der Demokratie, versteht sich. Von Flyerdrucken bis zur Wehrsportgruppe konnte eine rechte Szene gut gesponsert von VS-Geldern leben. Mit Pickelhaube und Kajal-Schnurrbart nimmt Talke Blaser den Expräsidenten des Thüringer Landesamts, Helmut Roewer, auf die Schippe. Wenn der ehemalige VS-Chef erklärte, er wisse gar nicht, wie und warum er seine Einstellungsurkunde bekommen habe, ja, er sei viel zu betrunken gewesen, übertrifft Realität die beste Satire. Roewer wurde im Jahr 2000 nach internen Affären vom Dienst suspendiert.

Die Gruppe befasst sich nicht nur mit den VS-Strukturen rund um des NSU. Sie richtet ihren Blick auch auf die politische Linke der 70er und 80er Jahre, dem es aber an Schärfe fehlte. Alles in allem jedoch ein erhellend-unterhaltsamer Abend mit eindrucksvollen schauspielerischen Leistungen.

Zum Schluss wird übrigens auch klar, wie umfassend die Darsteller persönlich recherchierten. Sie berichten, wie sie die NSU-Tatorte abfuhren, die Internet-Cafés und Döner-Imbisse. Als Asta Nechajute erzählt, dass einer der ermordeten Inhaber von einem V-Mann verbluten zurückgelassen wurde, muss sie selbst weinen.
 

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