Versuchter Totschlag: Fürther Disco-Schläger vor Gericht

11.9.2017, 18:02 Uhr

Es war in den frühen Morgenstunden des zweiten Weihnachtsfeiertages 2015, als es vor der damaligen Diskothek "Cosmopolitan" in der Waldstraße zu einer Schlägerei kam – Vasili M., damals 25 Jahre alt, hatte mit seinem Bruder und einem Bekannten gefeiert. Am nächsten Tag erwachte er mit einem zweifachen Bruch des Schädeldachs im Krankenhaus, erst drei Tage später erinnerte er sich an den Disco-Besuch. Drei Monate litt der Student, so schildert er vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, unter Kopfschmerzen, er war auf psychiatrische Behandlung angewiesen und Medikamente. Die Angst, wieder Opfer eines Angriffs werden zu können, blieb ihm. Doch wer ihm dieses Leid angetan hat, weiß er nicht. Den Angreifer hat er nicht gesehen. 

Oberstaatsanwalt Roland Fleury hält Mehmed M. (Namen der Betroffenen geändert) für den Täter – es dauerte ein Jahr, bis die Kripo Fürth entscheidende Hinweise erhielt. Um den brutalen Schläger zu schnappen, war eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt worden. Zuletzt meldete sich der Mann, der an jenem Abend mit M. unterwegs war und belastete ihn.

Im Dezember 2016 wurde Mehmed M. festgenommen. Der 25-Jährige, der als Sicherheitskraft tätig war, gab bei der Polizei einen Faustschlag zu: Vorher habe ihn Vasili M. durch einen "dummen Spruch" provoziert. Dass er ihn auch gegen den Körper und den Kopf getreten habe – dies schildern Zeugen – bestritt er. Als er am nächsten Tag vor dem Ermittlungsrichter stand, wiederholte er sein Geständnis. 

Vorwürfe gegen Polizei 

Nun sitzt er vor der Schwurgerichtskammer, legt eine Kehrtwende hin und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei: Er sei in den Vernehmungen unter Druck gesetzt worden, auch auf Nachfrage habe er keinen Anwalt anrufen dürfen. Als er am nächsten Tag beim Ermittlungsrichter war, habe er unter Drogen gestanden. Doch in Wahrheit sei er in jener Nacht nicht einmal in der Disco gewesen, sondern habe bei einem Freund übernachtet. Gegen sieben Uhr sei er zu seiner Ex-Freundin gefahren, um bei ihr das gemeinsame Kind abzuholen. Ob seine Ex-Freundin dieses Alibi bestätigt, ist noch offen – bisher war sie nicht im Zeugenstand. 

Die Justiz ist zur Wahrheitsfindung auf Zeugen angewiesen – und dafür gibt es Regeln. Der Angeklagte etwa darf lügen. Die Zeugen nicht. Beinahe zwei Jahre nach der Schlägerei sei es wirklich nicht leicht, sich zu erinnern, schildert eine 24-Jährige, es sei, als müsse sie einen vor langer Zeit gesehenen Film schildern, doch Details könne sie nicht mehr beschreiben. Was sie sicher weiß, weil ihr Handy den Anruf gespeichert hat: Um 6.24 Uhr hatte sie an jenem Morgen ein Taxi gerufen, um sich mit ihrer Freundin auf den Heimweg zu machen. Doch vor der Disco beobachteten die jungen Frauen die Schlägerei, sahen, wie der Angreifer seine Jacke auszog, sie an den Rückspiegel eines Busses hing und auf Vasili M. losging. 

Leider funktioniert das menschliche Gehirn jedoch nicht wie ein Rekorder, der alles aufzeichnet. An ihren Schreck und die Angst erinnern sich die Zeuginnen gut, auch ihre Beschreibung des Täters als "kleinen, kräftigen Mann mit wenigen Haaren" ist ihnen präsent – doch als den damaligen Angreifer identifizieren können sie Mehmed M. nicht. Der Prozess wird mit weiteren Zeugen fortgesetzt.