Jubiläum

Vom "Kino im Krawattenhaus" zum "Uferpalast"

29.8.2013, 11:00 Uhr
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© Mark Johnston

Genau genommen beginnt die Geschichte im Juli 1979. In der legendären Gaststätte „Pfarrgarten“, wo die alte Frau Mandel über den Wirtshausboden schlurfte und der alte Herr Mandel die Virginia im Mundwinkel balancierte, in der alten Wirtschaft also, die nicht nur wegen des Kickers bei jungen Leuten so beliebt war: Hier kam man damals auf die Idee, auch in Fürth einmal richtige Filme zu zeigen. Das Kinosterben war gerade voll im Gange, doch eine höchst ambitionierte Cineasten-Reihe in der örtlichen Volkshochschule legte nahe, dass es in Fürth durchaus ein Publikum für anspruchsvolle Leinwand-Unterhaltung geben muss.

Als dann nur knapp eineinhalb Jahre später das „Kino im Krawattenhaus“ in der Schindelgasse mit seinen 35 Sitzplätzen und seinen zwei 16-mm-Projektoren mit dem „Cabinet des Dr. Caligari“ die erste Spielzeit startete, hatte sich eine Handvoll Filmbegeisterter einen Wunschtraum erfüllt: Fortan wurde in dem kleinen skurrilen Häuschen im verwinkelten Altstadt-Hinterhof große Kunst gezeigt und ein Programm, das man demokratisch nach Kooperative-Grundsätzen zusammenstellte. Nonkommerziell das Ganze, versteht sich.

Ein harter Kern von einem Dutzend Vereinsmitgliedern teilte die Arbeit unter sich auf; das Kino aber wurde vor allem an den Wochenenden zu dem Treffpunkt für Jugendliche, die sich in Ermangelung einer bunten und vielfältigen Szene quasi notgedrungen, doch scheinbar auch ganz automatisch zu Cineasten entwickelten.

Irgendwann platzte das Krawattenhaus dann aber aus seinen ohnehin nurmehr schlecht verfugten Sandsteinmauern, und die Miete für das baufällige Gemäuer war auch zu hoch. Der Ruf nach einem neuen Domizil für eine längst etablierte Kultureinrichtung wurde laut, und namentlich der damalige Bürgermeister Horst Weidemann schaltete sich bei der Suche ein. Dass einmal irgendetwas mit einem Teil des aufgelassenen Fürther Schlachthofs an der Würzburger Straße geschehen sollte, war da schon klar – warum sollte nicht auch das Kino hier einziehen?

Drei Tage wurde gefeiert

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© Mark Johnston

1988 war es dann so weit. Auf alten Fotos sieht man noch den versteckten Eingang zwischen den Schlachthallen mit bescheidenen Programmkästen an den schmutzigen Fassaden. Mit einem rauschenden, dreitägigen Fest aber feierte man die neuen Räume – und vorab auch schon mal die noch lange nicht sanierten Örtlichkeiten, die später einmal das Kulturforum ausmachen würden, mit. Als am Freitagabend um 22 Uhr die „Shiny Gnomes“ in der großen Halle laut und gut zu spielen begannen, wimmelte es auf dem Gelände von Menschen. Der für drei Tage veranschlagte Biervorrat ging schon am ersten Abend zur Neige, und im neuen Kino wurde ein Streifen gezeigt, dessen Titel vielleicht nicht so ganz auf die aktuelle Situation verwies: „Die Früchte des Zorns“; denn tatsächlich ging ja die Realisierung des neuen Fürther Kinotraums damals ohne viel Ärger über die Bühne. Also dann lieber und passend zur Stimmung in die andere Vorstellung: „Some like it hot“.

Ärger freilich gab es dann für den Uferpalast, der sich mit seinem anspruchsvoll-abwechslungsreichen Programmangebot mit Filmen, die kein großes Kino und auch kein Fernsehen mehr brachten, längst über die Grenzen Fürths hinaus hohes Ansehen verschafft hatte, über ein Jahrzehnt später. Bis 2004 das Kulturforum eröffnet werden konnte, musste umfangreich umgebaut werden, was auch das Kino zu einer viel zu langen Pause zwang. Drei Jahre ging man mit mobilem Projektor auf Wanderschaft, improvisierte an verschiedenen Orten und Unorten, zauberte zum Beispiel im Scherbsgrabenbad oder im U-Bahn-Tunnel themenbezogene laufende Bilder auf temporäre Leinwände. Und gab vor allem nicht auf.

Versprochen war ja, dass man ins Kulturforum integriert werden sollte – wenngleich die Wirklichkeit dann schon ein wenig anders aussah. Man hätte sich das neue alte Domizil etwas auffälliger präsentiert im Inneren des Gebäudes vorstellen können. Aber nun war man wieder zwischen Gaststätte und großer Halle eingezwickt, der ortsunkundige Kino-Besucher wurde zunächst einmal zum Kino-Sucher, bis er den Eingang und die Kasse fand. Mittlerweile hat man sich freilich mit den Umständen abgefunden und arrangiert.

Von den Machern der ersten Krawattenhaus-Stunde sind nur noch wenige heute aktiv in der immer noch als Kooperative arbeitenden Institution. Einer von ihnen ist selbstverständlich Helmut Grashey, den man durchaus einen Hauptverantwortlichen für das Erwachen der Fürther Kino-Kultur nennen darf. Er war es, der schon in der Volkshochschule hinterm Projektor stand, dann beim Aufbau des ersten Kinos mit anpackte, wo so gut wie alles in Eigenarbeit geleistet wurde, und heute sitzt er im Büro des Uferpalastes und sagt befriedigt: „Wir zeigen immer noch die Filme, die uns passen.“

Auch wenn das Publikum vielleicht nicht ganz so treu blieb wie Grashey selber: „Man kann sagen, dass vor dem Umbau andere Leute kamen als danach. Die jungen, an Off-Produktionen interessierten Zuschauer blieben langsam aus, dafür kamen Ältere, die sich nach selten gezeigten Filmen sehnen.“ Mehr als die Hälfte der zahlenden Gäste kommt übrigens aus Nürnberg und auch die Hälfte der Mitarbeiter ist nicht mehr aus Fürth...

Konkurrenz hatten bis heute weder das Krawattenhaus noch der Ufer-Palast (der Name machte übrigens seinerzeit das Rennen gegen Vorschläge wie etwa „Schweinepalast“ oder „Kino in der Kuttelei“) in Fürth zu fürchten. Der kommerziell erfolgreiche Film ist ihre Sache nie gewesen. Der Beweis: Seit Beginn der Fürther Kino-Initiative stehen zwei eher angegraute Streifen auf der Hitliste unangefochten ganz oben: „Die Kinder des Olymp“ und „Die Handschrift von Saragossa“. Die schönen alten Vorführapparate werden demnach weiter gepflegt und in Schwung gehalten.

Was aber, wenn die Digitalisierung des Materials weiter fortschreitet, wenn neue und teure Geräte angeschafft werden müssten? Man will sich einstweilen mit solch wirklich existenziellen Fragen nicht die Freude über das Jubiläum verderben, das man in diesem Jahr ohne großes Brimborium einfach so registriert hat. Nur eines ist sicher: Hinterm Rednitzstrand flimmert’s weiter...

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