Wie sieht die fahrradfreundliche Kommune aus?

30.8.2017, 06:00 Uhr
Wie sieht die fahrradfreundliche Kommune aus?

© Frank Kreuzer

Herr Höhne, der Landkreis Fürth hat das Zertifikat "fahrradfreundlich" bereits. Stein, Zirndorf und Oberasbach hätten es gerne. Ist es eigentlich mehr als ein schöner Titel?

Olaf Höhne: Wer das Zertifikat will, muss schon einiges für den Radverkehr tun. Ein Expertengremium, unter anderem mit Vertretern der AGFK, der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium und des ADFC Bayern überprüft, ob die Kriterien erfüllt sind.

 

Was genau muss in den Kommunen geschehen?

Höhne: Zunächst brauchen sie einen Ansprechpartner für den Radverkehr. Selbstverständlich geht es um das Radwegenetz, aber auch um Maßnahmen, die deutlich machen, dass man den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen erhöhen will. Geprüft werden auch viele Details.

 

Nennen Sie uns doch einige Beispiele.

Höhne: Räumt der Winterdienst auch Radwege oder nur die Fahrbahn für Auto- und Lkw-Fahrer? Sind die Radwege ausreichend beschildert oder muss man sich die Wege selbst suchen? Gibt es Tipps für touristische Ausflüge per Rad? Wie sind die Abstellmöglichkeiten für Räder beschaffen? Wie sieht das Baustellenmanagement aus? Gibt es Unfallschwerpunkte und was wird getan, um sie zu entschärfen? Grundsätzlich gilt es zu zeigen, dass mehr Radverkehr eine Kommune lebenswerter macht, denn Radfahren entschleunigt und schafft mehr Lebensqualität.

 

Da haben einige Kommunen aber noch viel zu tun.

Höhne: Man darf die Kriterien aber auch nicht zu hoch hängen. Eine Stadt wie Erlangen arbeitet seit Jahrzehnten an ihrem Radkonzept. Das ist etwas, was man nicht in kurzer Zeit aufholen kann. Deshalb gibt es für die Zertifizierung keinen ganz klar definierten Katalog, den Kommunen soll ein gewisser Spielraum gegeben werden.

 

Stein ist nicht von der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen zertifiziert worden. Wo liegt das Problem?

Höhne: Stein hat einen sehr engen Straßenraum, sowohl an der Ortsdurchfahrt als auch beispielsweise in der stark befahrenen Mühlstraße. Dort muss man sich überlegen, wie man den Radverkehr parallel zur Hauptstraße auf sichere Nebenstrecken führen kann und eine gute Anbindung an Nürnberg und Fürth schafft.

 

Wie sieht es in Zirndorf aus?

Höhne: Zirndorf hat in jüngster Zeit viel für den Radverkehr getan. Die Abstellmöglichkeiten an den Bahnhalten sind teilweise vorbildlich — wie am Bahnhof Kneippallee. Am zentralen Bahnhof gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten.

 

Was halten Sie von Radschutzstreifen, die in Zirndorf zu finden sind? Sie sind ja keine richtigen Radwege, sondern Markierungen, die Autofahrer auch überfahren dürfen.

Höhne: Sie sind eine Zwischenlösung, wenn der Straßenraum zu eng ist, um einen Radweg anzulegen. Sie weisen immerhin den motorisierten Verkehr darauf hin: Vorsicht, hier sind auch Radfahrer unterwegs. Sinnvoll sind sie allerdings nur, wenn die Straße nicht zu stark befahren ist.

 

Was macht den Landkreis Fürth vorbildlich aus Sicht des ADFC?

Höhne: Der Landkreis ist seit 2016 von der Arbeitsgemeinschaft zertifiziert. Er tut viel für den Radverkehr, vielleicht auch, weil es Landrat Matthias Dießl ein besonderes Anliegen ist. Während man sich als Radfahrer die Wege durch die Städte Nürnberg und Fürth teils selbst erarbeiten muss, gibt es für den Landkreis eine Radwegekarte. Gut ist auch die verbesserte Radwegeweisung mit den neuen weißen Schildern mit der grünen Aufschrift. Zudem gibt es eine App, mit der man sich orientieren kann. Entlang der Landstraßen ist das Radwegenetz gut ausgebaut. Es wird auf jeden Fall einiges dafür getan, den Anteil der Radfahrer zu erhöhen.

 

Große Vorhaben sind Radschnellwege. Ist das der Durchbruch für den Radverkehr?

Höhne: Der kreuzungsfreie Ausbau einer Radstrecke aus dem Landkreis in den Großraum ist ein innovatives Zukunftsprojekt. Ich bin überzeugt, dass diese Strecke bestens angenommen werden würde.

 

Wo können Sie sich einen solchen Weg vorstellen?

Höhne: Gedacht wird an die Verlängerung des Biberttalradwegs, der jetzt bis Leichendorf führt. Auf der alten Bahntrasse könnte der Weg dann bis Nürnberg-Gebersdorf reichen. Gleichzeitig wird dies in Zukunft eine Anbindung an die U-Bahn nach Nürnberg und Fürth darstellen. Er müsste entweder kreuzungsfrei ausgebaut werden oder mit einer Bevorrechtigung des Radverkehrs an Kreuzungen. Radfahrer wären darauf vermutlich schneller in den Städten als ihre autofahrenden Kollegen. Eine andere Variante würde von Cadolzburg über Seukendorf und Burgfarrnbach in Richtung Fürth führen. Denkbar ist auch ein Weg von Herzogenaurach nach Vach.

 

Der Landkreis ist dicht bebaut. Sind Radschnellwege nicht auch eine Platzfrage?

Höhne: Auf der alten Bibertbahntrasse möglicherweise nicht, doch auch geteilte Wege für Radfahrer und Fußgänger kann man akzeptieren, dann wäre Fläche gespart.

 

Mit dem Landkreis ist der ADFC also ganz zufrieden. Und was ist mit den Kommunen?

Höhne: In den Kommunen ist es nicht selten so, dass Radwege unvermittelt an der Gemarkungsgrenze enden, wenn die Nachbargemeinde nicht mitzieht. Hier sind bessere Absprachen wünschenswert.

 

Was sind für Sie gefährliche Stellen im Landkreis?

Höhne: Das ist beispielsweise der große Kreisverkehr in Cadolzburg. Dort sind Radfahrer, aber auch Fußgänger, völlig verunsichert. Am Kreisel in Ammerndorf ist das wesentlich besser gelöst. Es sind aber auch einige Bushaltestellen kritische Punkte. Oft ist der Straßenraum so eng, dass sich Radfahrer, Bus und ein- und aussteigende Fahrgäste in die Quere kommen.

 

Wie hoch ist eigentlich der Anteil des Radverkehrs im Landkreis Fürth?

Höhne: Für den Landkreis kann ich das nicht sagen, aber ich denke, dass er nicht viel höher liegt als in den beiden Städten Nürnberg und Fürth. In Nürnberg liegt der Anteil der Radfahrer bei 13 Prozent, in Fürth bei elf Prozent. Fürth hat wegen der kürzeren Wege einen höheren Fußgängeranteil. Zukunftsziel, auch im Sinne des Klimaschutzes, muss es sein, den Anteil bis 2025 mindestens auf 20 Prozent zu steigern. Das sieht auch der Radverkehrsplan Bayern vor. Langfristig sind auch Zahlen wie in Holland oder Dänemark mit 30 bis 40 Prozent möglich.

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