Wie verhext: Kaum Nachwuchs für Magier
11.5.2012, 22:00 UhrDer kleine Vorführraum ist gut gefüllt, gerade wurde an der Abendkasse auch noch die letzte Karte verkauft. Neugierige Augenpaare mustern aufmerksam die schmale Holzbühne, hinter der ein gewaltiger, roter Samtteppich fast die ganze Rückwand des Raums bedeckt. Dann betritt ein weißhaariger Mann im Frack die Bühne, den Schnurrbart über den beiden Mundwinkeln kunstvoll zu Kreisen gezwirbelt. Fast erwartet man, dass nun jemand den großen Houdini oder einen ähnlich markanten Zauberkünstler ankündigt. Doch der 76-Jährige auf der Bühne tritt lieber unter seinem bürgerlichen Namen auf: Werner Keller. Seit über 40 Jahren steht der Vorsitzende des magischen Zirkels Fürth als Magier auf der Bühne — und hat dabei offenbar noch genauso viel Spaß wie am ersten Tag.
„Passen sie gut auf“, mahnt Keller feixend das junge Paar, das ihm gerade die Eheringe für einen Trick geliehen hat. „Manchmal verschwindet einer davon und taucht nie wieder auf.“ Doch Schmuckstücke zu stibitzen, steht heute nicht auf dem Programm, Kellers Spezialität sind vielmehr die Seile. Wie von Zauberhand – hier passt das Sprachbild tatsächlich – verändert er deren Länge vor den Augen der Zuschauer nach Belieben und schnürt und löst selbst schwierigste Knoten mit einer betont lässigen Bewegung aus dem Handgelenk. „Alles eine Sache der Übung, man muss sich nur gut vorbereiten“, erklärt Keller dem staunenden Laien.
Das ist auch die Devise für Jungmagier André, der wie viele andere Fürther Zauberkünstler in der Jubiläumsveranstaltung auftritt. Der 14-Jährige absolviert gerade sein erstes Jahr im magischen Zirkel. Doch mit dem simplen Ausfüllen eines Mitgliedschaftsantrags ist die Anmeldung hier noch lange nicht erledigt. Wer sich offiziell Zauberer nennen will, muss erst noch vor der Verbandsjury bestehen und sie mit einer Auswahl an Tricks von seinem Talent und seinem Können überzeugen.
„Leider sind Schüler wie André die Ausnahme, in nahezu allen Ortszirkeln mangelt es uns an Nachwuchs“, klagt Keller. Zwar bieten er und seine erfahrenen Kollegen neben den regulären Treffen, in denen man sich fachkundig über Tricks und Kniffe austauscht, auch immer wieder Seminare für junge Zauberlehrlinge an. Die Teilnehmerzahlen, so Keller, sind aber meistens ernüchternd.
Neue Bleibe
Zu allem Überfluss muss sich der Fürther Ortszirkel nun auch noch nach einer neuen Bleibe umsehen. Zum 30. Juni müssen die Magier ihre Räume in der Theaterstraße verlassen. Geplante Umbaumaßnahmen machen den Schritt unausweichlich. Für Ersatz wäre zwar gesorgt, weil im Erdgeschoss andere Räume für die monatlichen Treffen der Zauberer frei werden; ein Zwischenlagern sämtlicher Zauberutensilien bis zum Ende der Bauarbeiten ist jedoch nicht möglich.
Deshalb ruft Keller nun zur Versteigerung auf: „Wer schon immer mal bei sich zu Hause mit einem gelungenen Trick punkten wollte, findet bei uns garantiert das Richtige.“ Über die Bühne gehen soll die Auktion natürlich noch vor dem großen Umzug. Und vielleicht gefällt dem einen oder anderen sein Kauf dann so gut, dass sich das Nachwuchsproblem gleich mit erledigt.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen