Zirkusdirektor, Dompteur, Gewichtheber
17.11.2013, 11:00 UhrEin Kelly muss sich nicht vorstellen. Oder gibt es hierzulande tatsächlich Menschen, die noch nie von der „Kelly Family“ gehört haben? Jimmy kann sich also größere Erklärungen ersparen. Stattdessen flirtet er mit dem Echo, dass sein Familienname noch heute auslöst und schickt Tuba-Spieler Johannes Voss als Ersten auf die Bühne, damit dieses Temperamentsbündel auf Sparflamme genüsslich einen alten Kelly-Witz aus der Harald-Schmidt-Kramkiste zelebriert. Damit wäre im Grunde alles zu diesem Thema gesagt. Und höchste Zeit, darüber zu reden, was jetzt gilt: Jimmy Kelly hat einen ganz eigenen Sound gefunden und macht richtig gute Musik. Der Mann mit den irischen Wurzeln, der in Spanien geboren wurde und mit seinen Brüdern und Schwestern schon so ziemlich überall in Europa aufspielte, hat Lieder im Gepäck, die so international sind wie seine Vita.
In der Comödie trat er mit einer Doppel-Premiere an. Zum einen startet von hier aus die Tournee mit seinem „Street Orchestra“, zum anderen legt er mit „Viva la Street“ ein neues Album vor, das in der kommenden Woche (22. November) erscheint. Doch jetzt steht Jimmy Kelly erst einmal vor einem nicht allzu üppig besetzten Saal und verausgabt sich. Runde zwei Stunden werden er und seine Kollegen brauchen, bis endlich wirklich alle von den Stühlen gerissen sind. Verdient hätte dieses mitreißend aufspielende Orchester so viel Zuhörer-Engagement von der ersten Minute an.
Mit den glitzernden Epauletten, die Kelly auf sein rustikales Karohemd geheftet hat, gleicht er einem Zirkusdirektor. Einer von der Sorte, die im Programm obendrein als Löwenbändiger und Gewichtheber fungieren. Jede einzelne dieser Rolle füllt er mit einer Nonchalance aus, die aus unendlicher Erfahrung genährt wird.
Dieser Mann ist ein exzellenter Musiker. Nicht, weil er ein Instrument perfekt beherrscht, obwohl er gleich mehrere spielt. Was Jimmy Kelly auszeichnet, ist neben seiner wandelbaren Stimme die bedingungslose Leidenschaft, mit der er jedem einzelnen Song gerecht wird. Handgemacht, glaubwürdig und unverfälscht ist der Sound, der diesen Abend prägt. Der Mix aus Folk, Klezmer, Chansons, Bluegrass und eigenen, sehr persönlichen Nummern ist bei weitem nicht so willkürlich zusammengestellt, wie es auf Anhieb scheinen mag, sondern fügt sich nahtlos zu einem stimmigen Austausch über Erfahrungen und Niederlagen, Freude und Schmerz. Zusammengehalten wird die Mischung schlicht von Lebensfreude und grenzenlosem Spaß am Musizieren.
Seit sechs Jahren ist Kelly ohne die Family unterwegs. Nach schwierigen Jahren wagte er einen Neuanfang, und zwar dort, wo er sich auskennt: Als Straßenmusiker in deutschen Städten hat er wieder Fuß gefasst. Seine Mitstreiter, das überzeugende „Street Orchestra“, haben die gleiche unerbittliche Schule absolviert.
Irgendwann spät an diesem Abend – die Epauletten sind längst einem schlichten T-Shirt gewichen – ist Jimmy Kelly sichtlich glücklich und erleichtert. Der Tour-Start, das weiß er in diesem Moment, ist geglückt. Sein Konzept geht auf. Wer jetzt nicht kommt, um diese erstaunliche Truppe zu erleben, verpasst etwas.
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