Zirndorfer Rechte sind keine harmlosen Spaziergänger
4.7.2016, 11:00 UhrEin Heer von Polizisten flankiert die zwei Dutzend Leute, die im größten Wolkenbruch mit eingezogenen Köpfen durch die Albrecht-Dürer-Straße laufen. Ihr Ziel: Die Zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber, kurz ZAE. Aus dem schwarz-weiß-roten Lautsprecherwagen mit "Thügida"- Aufschrift dröhnt in gehörschädigender Lautstärke Fremdenhass.
Kurz zuvor, am Stadtpark, hat einer der Redner die Pfiffe und Haut-ab-Rufe des Fürther Bündnisses gegen Rechts in sein Megaphon brüllend übertönt und mit sich überschlagender Stimme klargestellt: "Wir kommen nicht alle aus Zirndorf, aber wir kommen alle aus Deutschland!" Es folgte der Aufbruch zu keinem Marsch, sondern zu einem „Spaziergang“ durch Zirndorf.
Die "Spaziergänger" also tragen ein „Franken-wehrt-sich“-Banner vor sich her. Sonst nichts, keine Flaggen. Und sie behaupten: "Wir sind keine stiefeltragenden Monster." Sie seien "ganz normale Menschen, die einen Spaziergang machen"“.
Harmlose Spaziergänger aber, wie die Sprachregelung glauben machen soll, sind die Initiatoren dieser Demo nicht. Die Nürnberger Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair hält sie schon deshalb "für äußerst gefährlich, weil sie nationalsozialistisches Gedankengut propagieren". Gemeint ist Dan Eising aus Nürnberg, der die Demo mit Monique Schober unter dem Motto "Zirndorf sagt Nein zum Heim" angemeldet hat. Eising tritt als Führungsfigur der neonazistischen Partei "Die Rechte" in Erscheinung und als Aktivist der als verfassungsfeindlich geltenden Nügida.
Laut Mair stecken hinter beiden Gruppen dieselben Köpfe. Bei 43 neonazistischen Demos in Nürnberg seit Februar 2015, einer "richtig heftigen Aufmarschserie", war Eising nach Mairs Beobachtung quasi dauerpräsent.
Franken-wehrt-sich-Aktivistin Monique Schober aus Unterfranken hat laut Informationsportal „Endstation rechts. Bayern“ dort Kundgebungen organisiert, auf denen nur Redner aus der Neonazi-Szene und der NPD zu Wort kamen. Letztere steht Hitlers NSDAP so nahe, dass ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht läuft. David Köckert war Leiter der NPD Thüringen und sitzt für diese im Stadtrat Greiz.
Halbwahrheiten und Fakten
Wo sie auf Gegendemonstranten trafen, am Stadtpark und vor der ZAE, gingen die rechten Redner, darunter die genannten, akustisch unter. Lügen, Halbwahrheiten und Hetzparolen gegen Flüchtlinge und gegen Bürgermeister Thomas Zwingel stießen dann kaum auf Gehör. Wie berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen einer Todesdrohung gegen Zwingel. Das Drohvideo kursierte vor dem Wochenende im Netz. Dort hatte Nügida die angeblich "deutschfeindliche Politik im Rathaus" und Zwingel als Hauptverantwortlichen für die vermeintliche Überfremdung der Stadt und die große Erstaufnahmestelle mit gut 1300 Asylanten angeprangert.
Fakt aber ist: Die ZAE ist eine staatliche Einrichtung, der Rathauschef hat mit ihr nichts zu tun. Fakt ist ferner: Die ZAE mit ihren 650 Betten musste zwar im Oktober 2015 schon mehr als 1000 Menschen beherbergen, ist aktuell aber unterbelegt. 527 Menschen sind dort nach Angaben der Regierung von Mittelfranken zurzeit untergebracht. Und die kommen (mit Ausnahme von Äthiopien) keineswegs aus Nordafrika, wie Nügida weiter behauptet, sondern schwerpunktmäßig aus Syrien, Iran, Irak, Afghanistan und einigen Ländern der Ex-UdSSR.
Dicht gedrängt, an Fenstern und auf Balkonen, haben am Samstag viele von ihnen das Spektakel aus sicherer Entfernung verfolgt. Heerscharen an Polizisten, von der Schutzpolizei bis zu USK-Kommandos und Bereitschaftspolizei in schwarzen Overalls, sorgten in Zirndorf über Stunden dafür, dass die unterschiedlichen Gruppen einander nicht zu nahe kamen. Ein Großaufgebot, das Polizeisprecher Robert Sandmann rechtfertigt: Die Gefahr einer Eskalation sei bei zwei so konträren Gruppen ohnehin hoch. Hinzu komme, das sich vorab schwer einschätzen lasse, wie viele Leute jede Seite mobilisiert und ob autonome Kreise kommen.
Überdies habe man lange Wegstrecken sichern müssen, die auch durch Wohngebiete führten. "Wir wollen höchstmögliche Sicherheit bieten und möglichst kein Risiko eingehen." Dass wegen 25 Rechten 800 Gegendemonstranten sogar im strömenden Regen aushielten, hält wiederum Birgit Mair für wichtig. Nur so lasse sich sozialer Druck aufbauen. "Gibt es nämlich keine Gegenwehr, schließen sich die Leute den Rechten eher an." Und weil jeder seine Nachbarn kenne, müssten solche Demos "in Guckweite, nicht aber in Wurfweite" stattfinden.
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