Elektroautos: Nachfrage hält sich sehr in Grenzen
25.10.2017, 18:15 UhrEs ist wie mit diesem Jeansladen, die ich bisher noch nie wahrgenommen hatte und nun, nachdem ich einmal drin war, plötzlich überall sehe. So geht es mir derzeit mit Ladesäulen für Elektroautos: Bin ich bisher scheinbar völlig blind für meine Umwelt daran vorbeigefahren, nun sehe ich sie überall – nun ja, fast überall. Denn noch ist dieses Netz durchaus ausbauwürdig, aber selbst in Gunzenhausen kann man seinen Stromer längst an öffentlichen Zapfsäulen aufladen.
2015 installierten die Stadtwerke Gunzenhausen am Parkplatz in der Oettinger Straße eine Ladesäule mit zwei Anschlüssen. Angestoßen hatte das Projekt der frühere Bürgermeister Joachim Federschmidt, ein "leidenschaftlicher Elektomobilist", so Roland Dücker, kaufmännischer Geschäftsleiter der Stadtwerke. 15000 Euro investierte die Einrichtung in die öffentliche Stromtankstelle. Ein Geschäft machen die Stadtwerke damit aber nicht. "Wir sind nicht unter der Prämisse kostendeckend rangegangen, sondern aus Marketing-Gründen", erläutert Mario Malorny, Dückers Kollege für die technischen Belange.
Verwirrendes System
Wer seinen Stromer in der Oettinger Straße auftanken will, muss lediglich genügend Münzen im Geldbeutel dabei haben. 50 Cent kostet die Viertelstunde, damit ist das Angebot "absolut barrierefrei", so Malorny und ist damit schon bei einem Problem, das einem das Reisen mit einem Elektroauto in Deutschland erheblich vermiesen kann: Die meisten Ladesäulen funktionieren mit Kartensystem, und davon gibt es in Deutschland "Hunderte", weiß Malorny. Um auf der Fahrt von Hamburg nach München problemlos überall auftanken zu können, benötigt man mindestens fünf davon. Doch wer will schon Mitglied in unzähligen Bezahlsystemen werden? Allerdings kann man in der Regel auch per Handy bezahlen, wissen Herwig und Anke Hufnagel aus Meinheim, die seit bald 20 Jahren mit dem Stromer unterwegs sind (weiterer Artikel folgt). Wegen der geforderten Barrierefreiheit, finden sich an fast allen Zapfsäulen Telefonnummern, über die man das Auftanken regeln kann. Allerdings empfiehlt es sich deshalb, an einem Wochentag zu verreisen, um auch einen Ansprechpartner zu erreichen.
Das System der Stadtwerke ist einfach, bevorzugt aber die Elektroautos, die auf die Schnelle 22 Kilowatt in ihre Batterien pumpen können. Dann ist der Wagen schon nach kurzer Zeit wieder startbereit. Wer mit herkömmlichem Haushaltsstrom laden muss, hängt schon mal über Nacht an der Steckdose.
Womit wir beim Hauptgrund wären, warum nicht nur für Herwig Hufnagel ländliche Regionen quasi prädestiniert sind für die kleinen Stromer: Die hier lebenden Menschen haben eine Garage oder zumindest einen Carport vor der Haustür. Dort kann das Auto jederzeit und unkompliziert mit Strom versorgt werden. Zudem kann die Haushaltssteckdose mit Hilfe einer sogenannten Wallbox zur Schnellladestation aufgemotzt werden.
Nicht nur der Kartendschungel erschwert hierzulande die Elektromobilität. Dazu kommen noch die unterschiedlichsten Steckersysteme und verschiedene Ladeverfahren. Deutschland ist zwar führend was Normierung betrifft, aber in der Entwicklung der Elektromobilität eben nicht unbedingt Vorreiter, bringt Malorny das Problem auf den Punkt. Norwegen, Japan und China, da spielt die Musik in Sachen Stromer, und dazu hat sich ein kleines, aber sehr feines Unternehmen gesellt: Die 2003 in Kalifornien gegründete Firma Tesla macht Elektroauto plötzlich sexy und lehrt der hiesigen Autoindustrie, zumal den Herstellern von Nobelkarossen, das Fürchten.
Die Elektroautos bringen aber eben auch verschiedene Ladesysteme mit sich. So wird das in Japan entwickelte Gleichstromladeverfahren CHAdeMO vor allem von asiatischen Herstellern genutzt.. Die deutschen Hersteller setzen dagegen auf CCS (Combined Charging System), Tesla hat noch einmal ein ganz eigenes Verfahren, bietet aber Adapter für Chademo an.
Während in China bis 2020 rund eine Million Elektroautos für sauberere Luft in den Städten sorgen sollen und der norwegische Automarkt in acht Jahren ausschließlich emissionsfreie Modelle anbieten soll, sind die Stromer in der Region noch echte Mangelware. Anfang 2016 waren laut Roland Dücker gerade einmal 32 Elektroautos angemeldet. Mittlerweile fahren nach Angaben der Zulassungsstelle im Landratsamt immerhin 84 Wagen mit Elektromotor in Weißenburg-Gunzenhausen herum, sieben davon in Gunzenhausen. Der Prozentsatz an den insgesamt 59 923 angemeldeten Fahrzeugen ist allerdings verschwindend gering.
Kein Boom in Sicht
Entsprechend hält sich auch die Nachfrage bei den hiesigen Autohändlern in Grenzen. Zwar hat die konzerneigenen Umweltprämie nach Worten von Max Halbig bei VW einiges bewirkt, in Gunzenhausen ist dieser Trend bei den Elektroautos aber noch nicht ganz angekommen. Für die Kunden, die sich bereits für einen Stromer entschieden haben, steht bei Halbigs eine Ladesäule vor der Tür. Wer ein anderes Modell fährt, kann seinen Wagen hier auch laden, allerdings nicht kostenlos.
Neben Preis und Reichweite ist sicher die Infrastruktur ein ganz wichtiger Knackpunkt bei der Entscheidung für oder gegen ein Elektroauto. Während man mit dem herkömmlichen Verbrennungsmotor unbesorgt fahren kann, bis die Tanzanzeige in den roten Bereich ragt, muss eine weitere Fahrt mit dem Stromer doch vorbereitet werden.
Aber nicht auf dem Land, sondern vielmehr gerade in den Ballungszentren werden die fehlenden Ladesäulen zunehmend zu einem Problem. In Berlin etwa stellte die Citroen-Tochter Multicity laut einem Bericht des Tagesspiegels ihr Carsharing-Angebot mit unter anderem 230 Elektroautos wieder ein. Als Grund gab das Unternehmen die mangelhafte Infrastruktur an. Und in Oslo kehren laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung erste Elektromobilisten wieder zurück zum Verbrennungsmotor, da sie die frustrierende Suche nach einer Ladesäule leid sind.
In Gunzenhausen würden sie an der Oettinger Straße fast immer fündig. Seit die Stromtankstelle installiert wurde, registrierten die Stadtwerke gerade einmal 633 Stunden Ladezeit und einen Umsatz von 1000 Euro.
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