Landkreis ist kein emotionaler Lebensraum
06.07.2012, 15:49 Uhr
Das wird er auch nicht mehr werden, denn die Menschen erleben den Landkreis und seine Verwaltung nicht unmittelbar. Das tun umso mehr die Städte und Gemeinden. Sie sind die gefühlte Heimat der Menschen. Gottlob hat die der Gebietsreform nachgeschobene Funktionalreform einiges zu ihren Gunsten bewirkt. Die modernen Kommunikationsmittel (beispielsweise das Internet) tragen ihren Teil dazu bei, dass der Gang zum Landratsamt (als dem Sitz der Kreisverwaltung und der unteren staatlichen Verwaltungsebene) für den Normalbürger zu einem eher seltenen Ereignis wird. Die Städte Gunzenhausen, Weißenburg (und mit Abstrichen Treuchtlingen) erfüllen heute zentrale Funktionen, sind bürgerfreundliche Ansprechstationen. Die Einbeziehung des Umlands hat sich für die Entwicklung der Städte als richtig erwiesen. So ist beispielsweise aus dem knapp 10 000 Einwohner zählenden Gunzenhausen ein Mittelzentrum mit rund 17 000 Einwohnern geworden. Und die Gemeinden sind ebenfalls gestärkt aus der Reform hervorgegangen. Etliche von ihnen werden von fünf Verwaltungsgemeinschaften betreut. Sie sind für die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden und deren Selbstbehauptungswillen nicht zur Gefahr geworden. Die VGs sind lediglich Handlanger der autonom handelnden Gemeinderäte. Manche der Verwaltungschefs langen etwas kräftiger zu, andere beschränken sich auf die ihnen gesetzlich verordneten Vollzugsaufgaben.
Was Ernst Lechner vor 40 Jahren gesagt hat, das hat später gegolten und das kann auch heute noch unterstrichen werden: die strategisch zentrale Position an Brombach- und Altmühlsee ist für Gunzenhausen wichtiger als der Kreissitz. Das frühere „Armenhaus Westmittelfranken“ ist nicht mehr wiederzuerkennen. Die
in Nordbayern einmalige Seenlandschaft hat die erhofften Impulse für die ländliche Region gebracht, wenngleich natürlich immer Wünsche bleiben. Aber: Was wäre Gunzenhausen und sein Umland heute ohne die Seen? Leute, die alles für selbstverständlich halten, sollten einmal darüber nachdenken. Wenn sie in sich gehen, dann müssen sie zu der Erkenntnis gelangen: Wir leben in einer herrlichen Landschaft, in einer kleinräumigen Gesellschaft, in der sich die Menschen nahe sind und die dennoch der Individualität genügend Raum lässt. Mit den Seen hat die Region ein Alleinstellungsmerkmal, denn in ganz Nordbayern gibt es keine vergleichbare Seenlandschaft.
Und ein paar andere Dinge sind nur positiv zu sehen. Beispielsweise das Krankenhaus. Schon der alte Kreistag hat noch die wichtige Weichenstellung für den Neubau auf dem Reutberg vorgenommen. Wenn heute andere Krankenhäuser um ihren Bestand fürchten müssen, dann kann sich der heutige Landrat einigermaßen entspannt zurücklehnen, weil seine Vorgänger das Richtige getan haben.
In den siebziger Jahren ist oft über die sozio-ökonomischen Beziehungen gesprochen worden, die wichtig waren für die Neubildung von lokalen Strukturen. Heute lässt sich sagen, dass die Verbindung des Gunzenhäuser Landes zum Hesselbergraum besser und enger ist als damals. Das gilt auch für das Spalter Hopfenland. Die politischen Kräfte dort haben erkannt, wie wichtig für sie die Anlehnung an das Fränkische Seenland und Gunzenhausen ist, obwohl die Verwaltungsgrenzen anders verlaufen. In gleicher Weise lässt sich das auch von den Gemeinden sagen, die heute zum Kreis Ansbach gehören. Auch sie suchen die Nähe zum Seenland, das für sie magnetische Wirkung hat. Unbescheidenermaßen darf hinzugefügt werden, dass auch die Heimatzeitung „Altmühl-Bote“ daran ihren Anteil hat, denn sie hat (neben der Sparkasse) eine wichtige Klammerfunktion.
Die Kommunen im Süden des einstigen Altkreises (also Wettelsheim, Windischhausen, Auernheim) fühlen sich in der Stadt Treuchtlingen gut aufgehoben, vor allem auch deshalb, weil sie vor 40 Jahren aus freien Stücken dorthin gegangen sind und nicht von der Stadt okupiert wurden.
Die wirtschaftlichen Schwergewichte des neuen Kreises liegen freilich im südlichen Teil. Weißenburg hat seinen Status als potenter Industrie- und Gewerbestandort festigen können. „Die steinreichen Fünf“ (also Langenaltheim, Solnhofen, Treuchtlingen, Pappenheim und dazu Mörnsheim aus dem Kreis Eichstätt) sind ein Juwel mit nicht zu unterschätzender Potenz.
Der Landkreis gehört zur Metropolregion Nürnberg, die international platziert ist. Für das Binnenverhältnis wäre es indes wünschenswert, dass die Stadt Nürnberg – dem Beispiel Münchens folgend – noch mehr die Seenlandschaft vor ihrer Haus-tür für sich werblich in Anspruch nimmt. Über die Bezirksumlage ist sie ja ohnehin schon indirekt beteiligt. Die Landeshauptstadt macht das geschickter, sodass Außenstehende wie selbstverständlich annehmen, die oberbayerischen Seen seien ein Teil der Landeshauptstadt.
Mit seinen Landräten hat der neue Kreis Glück gehabt. Dr. Karl-Friedrich Zink, der unbestechliche Jurist, hat sich allen lokalen Egoismen entgegengesetzt und versucht, der vielschichtigen Region eine kulturelle Identität zu geben. Die meisten seiner „Fans“ aus den hitzigen Wahlkampfjahren 1969 und 1972 haben es ihm verziehen, dass er sich eine Zeit lang auf die Seite der CSU hatte ziehen lassen. Investive Glanzpunkte prägten nicht die Amtszeit seines Nachfolgers Georg Rosenbauer, obwohl er mit der Sanierung des Simon-Marius-Gymnasiums und des Krankenhauses Gunzenhausen richtige und wichtige Weichenstellungen vornahm. Er steht in den Annalen für die Konsolidierung der Kreisfinanzen. Davon hat wiederum sein Nachfolger Franz Xaver Uhl profitieren können. Er war ein Mann, auf dem große Hoffnungen der Bevölkerung ruhten. Den Landkreis zukunftsfähig zu machen, das war sein Credo. Dazu schob er die Zukunftsinitiative „altmühlfranken“ aufs Gleis. Vom ersten Tag an hatte er alle politischen Kräfte des Kreises hinter sich. Schade, dass er nach nur zweieinhalb Jahren sterben musste.
Gerhard Wägemann hat von ihm ein gutes Konzept übernehmen können. Auch er, der einstige Parteipolitiker, setzt ganz auf die politische Eintracht und verhält sich in seiner Amtsführung danach.
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