Mit dem Elektroauto unterwegs in Gunzenhausen
5.11.2017, 08:08 UhrDa hält der kleine weiße Stromer auch schon neben mir und Herwig Hufnagel, den wir in dieser Serie bereits vorgestellt haben — öffnet einladend die Tür. Kaum eingestiegen, tasten meine Füße vergebens nach dem Kupplungspedal, die Hand rührt auf der Suche nach dem Schaltknüppel vollkommen unnütz im luftleeren Raum. Elektroautos kommen mit nur einem Gang aus. Anschalten, Bremse lösen und losfahren, so einfach ist das.
Der kleine weiße Citroën hat schon rund 20 Jahre auf dem Buckel, das sieht man der Karosserie an, auch die Sitze sind nicht mehr taufrisch. Den Batteriesatz hat Hufnagel einmal gewechselt, darüber hinaus hält sich der Wartungsaufwand sehr in Grenzen. Und der Kleinwagen fährt quasi wie am ersten Tag.
Der kurze Weg von Meinheim nach Wolfsbronn und zurück zeigt mir schon ein paar entscheidende Unterschiede zum Benziner: Während ich mit letzterem unbesorgt bis nach Berlin und weiter durchfahren kann, empfiehlt es sich bei den Stromern, nicht nur ökonomisch zu fahren, sondern auch den "Tank" im Auge zu behalten.
Wie viel Leistung noch zur Verfügung steht und wie viel das Fahrzeug gerade verbraucht, darüber wird der Fahrer permanent informiert. Das ist wichtig, denn wenn ein Elektroauto einmal mit null Prozent in der Batterie liegenbleibt, dann hilft tatsächlich nur noch Schieben bis zur nächsten Steckdose. Einen Reservekanister gibt es nicht.
Mit Vollgas bergauf, da neigt sich die Nadel im Saxo, der eine Reichweite von rund 140 Kilometern hat, doch erstaunlich schnell in Richtung rotem Bereich. Dafür "tanke" ich das Auto auf dem Weg zurück nach Meinheim wieder auf.
Nur der Fahrtwind rauscht
Ein paar Tage später ziehe ich auf der Staatsstraße 2222 an einem Müllauto vorbei. Ich muss nur kurz das Gas antippen und schon geht der Wagen ab wie eine Rakete. Er schnurrt wie eine Katze — obwohl, nein, das kann man so nicht sagen, das ist wohl eher mein Wohlbefinden, das sich da bemerkbar macht. Denn tatsächlich höre ich nur ein bisschen Fahrtwind und das Rollen der Reifen.
Ich sitze in einem Tesla S 85D. Seit zwei Jahren fährt mein Nachbar Jochen Loos dieses Modell und war sofort bereit, bei der Serie des Altmühl-Boten mitzumachen. Dass er keinen anderen Wagen mehr fahren möchte, erschließt sich mir in kürzester Zeit. Es stimmt, was überall zu lesen ist: Tesla macht Elektromobilität begehrenswert.
Nachdem Jochen Loos das Auto via Smartphone aus der Garage geholt hat — lediglich wegen des Vorführeffekts, normalerweise fährt er schon selbst raus —, sitzen wir erst einmal eine ganze Weile im Hof, damit ich die ganzen elektronischen und digitalen Feinheiten, die das Auto zu bieten habe, kennenlerne. Und da gibt es so einiges, womit die amerikanische Marke punktet — und den deutschen Herstellern überlegen ist.
Die erste Enttäuschung lässt trotzdem nicht lange auf sich warten: Wie bei allen anderen Elektroautos ist auch bei Tesla die Reichweite eher ambitioniert angegeben. Von 500 bis 600 Kilometern kann man immer wieder lesen, tatsächlich kommt Jochen Loos mit seinem Modell rund 300 Kilometer. Nicht nur das Fahrverhalten — der Bleifuß kostet auch hier enorm viel Leistung — wirkt sich aus, auch die Temperaturen spielen eine Rolle. Im Sommer kommt Jochen Loos locker bis an den Chiemsee, im Winter "hole ich mir am Irschenberg sicherheitshalber zehn Prozent".
Selbstredend informiert auch der Bordcomputer von Tesla laufend über die noch vorhandene Reichweite. Im Unterschied zu anderen Herstellern hat der Konzern aus Kalifornien ein Netz von sogenannten Superchargern aufgebaut, an denen sich Teslafahrer ganz exklusiv schnell mal eine Dosis Strom holen können.
Versuchshalber gibt Loos Zürich als Ziel ein, die Batterieladung liegt bei 69 Prozent. Nach längerem Rechnen erscheint auf dem großzügigen Touchscreen in der Mittelkonsole die Route. Nur eine einzige Highspeed-Ladesäule von Tesla findet sich auf dem Weg von Gunzenhausen in die Schweiz, und zwar in Aichstetten an der A 96. Dort käme Loos mit 21 Prozent an, nach dem Tankstopp würde er es gerade so eben bis Zürich schaffen und hätte dort noch 17 Prozent. Auf dieses Risiko würde er sich nicht einlassen, macht Jochen Loos deutlich.
Innerhalb einer Viertelstunde sollte die Batterie an einer Schnellladesäule bei 80 Prozent sein, auch das ein Versprechen, das nach der Erfahrung von Jochen Loos so nicht eingehalten werden kann. Bei einem Batteriestand von 45 Prozent muss er dafür rund eine halbe Stunde an der Ladesäule verweilen.
Damit kann Loos aber gut leben, zumal man sich beim Tanken ja auch mit anderen Elektromobilisten austauschen kann. Neulich kam Loos so mit einer Familie aus Dänemark ins Gespräch. Die waren mit ihrem Tesla auf dem Heimweg — von Sizilien aus. Das wäre Jochen Loos zu weit, um es mit dem Stromer zu fahren. In der Regel nutzt er den Tesla nicht über dessen Reichweite hinaus, für weitere Fahrten steigt er auf einen Wagen mit Verbrennungsmotor um.
Dass die Angaben zwischen den Idealwerten und dem Realverbrauch schwanken, nimmt Loos nicht krumm. Irgendwann müsse man einfach in die Praxis gehen — und dort dann aus den Fehlern lernen. Deshalb hat er sich der Firma Tesla auch als Testfahrer zur Verfügung gestellt. Seine Daten und seine Erfahrungen fließen so in die weitere Entwicklung ein.
Spontanen Kauf nie bereut
Eher zufällig sah Jochen Loos vor rund zweieinhalb Jahren bei einem Bekannten einen Tesla stehen. Der Bekannte war hochzufrieden, also vereinbarte Loos bei Tesla in München eine Probefahrt — und bestellte eine Woche später ein Auto. Den spontanen Kauf hat er nie bereut.
Auch ich fühle mich ausnehmend wohl in den schönen Ledersitzen — bis Jochen Loos mich dazu auffordert, doch einmal den Selbstfahrmodus anzustellen. Und schon übernimmt das Auto die Kontrolle, lenkt, hält Abstand zu den vorderen Autos und bremst bei Tempolimit eigenständig. Ein bisschen unheimlich ist das schon. Aber es funktioniert.
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