Die Polizei als „cooles Feindbild“
14.08.2012, 16:17 Uhr
Norbert Wetz, der stellvertretende Inspektionsleiter, der seit 35 Jahren im Dienst ist, hat in den vergangenen Jahren festgestellt, dass der Respekt vor der Polizei immer mehr nachgelassen hat. In vergleichbar harmlosen Situationen würden manche Leute den Beamten gegenüber einen sehr harschen Ton anschlagen, wobei die Polizei häufig nur Ratschläge geben oder helfen will.
Wetz hat auch beobachtet, dass sich beispielsweise bei Schlägereien die Kontrahenten gegen die Polizei verbündeten, so dass die Ordnungshüter aufpassen müssen, nicht selbst attackiert zu werden. Die häufigste Form der Übergriffe sind verbaler Natur, also Beleidigungen. Dabei, so Wetz, würden zwei Drittel der Fälle gar nicht in der Statistik erfasst. Auch würden manche Bürger im Eifer des Gefechtes übers Ziel hinausschießen, hinterher sich aber für ihr Verhalten entschuldigen.
Seit 2010 wird in den Inspektionen eine Statistik geführt, in der die Übergriffe gegen die Beamten protokolliert werden. In Herzogenaurach sind laut Wetz bis jetzt 35 Fälle aufgelistet. Im Gegensatz zur bayerischen Statistik wurde in der Aurachstadt gegenüber 2011 ein erfreulicher Rückgang festgestellt.
Festgestellt wurde auch, dass in den meisten Fällen der Alkohol die Hauptrolle spielt. Und das Gros der Täter ist zwischen 17 und 25 Jahre alt. In dieser Altersklasse wollen sich, so Wetz, nicht wenige profilieren, vor allem dann, wenn sie etwas getrunken haben. Deshalb sei man heuer bei der Sommerkirchweih aktiv und präventiv vorgegangen, um Aggressionen erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Wetz‘ Kolleginnen und Kollegen bestätigten während der Dienstbesprechung die Aussagen des stellvertretenden Inspektionsleiters. Alfred Beyer, schon ein Urgestein in der Dienststelle, sieht in Drogen und Alkohol den Hauptgrund für die Ausfälle den Beamten gegenüber. Die Leute seien enthemmt und könnten sich hinterher an nichts mehr erinnern. Beyers Kollege PHM Stich fügte hinzu, dass selbst schon 13-Jährige mit Wörtern wie „du Scheißbulle“ oder „du hast mir nichts zu sagen“ um sich schmeißen. Leider, so Stich, würden nicht wenige Heranwachsende noch von ihren Eltern unterstützt („Mein Sohn macht so etwas nicht“).
Stefan Schmidt, der auch in den Schulen aufklärend zu Gange ist, ergänzte, dass die Polizei für viele Jugendliche „ein cooles Feindbild“ darstelle. Es würden Grenzen ausgelotet und dabei auch schon ab und zu der Stinkefinger gezeigt. Matthias Düthorn konstatierte: „Die Hemmschwelle geht gewaltig zurück.“ Mit dieser Einschätzung wird er auch von Hauptkommissar Tschech unterstützt. Einig war man sich auch darüber, dass es oft an der Grunderziehung im Elternhaus mangelt. Die Eltern seien zwar verantwortlich, aber nicht wenige würden sich als „nicht mehr zuständig“ bezeichnen.
Norbert Wetz wünschte sich deshalb, dass die Leute künftig wieder „mehr Wert auf Werte“ legen. Der Höchstadter Polizeichef Jürgen Schmeißer findet es gut, dass der Innenminister Facetten aufgezeigt und unverblümt gesagt habe, was Sache sei. Auch Schmeißer bestätigte, dass seine Kolleginnen und Kollegen immer mehr mit offener Aggression konfrontiert würden. Er nennt einen Fall, bei dem ein Beamter in die Hand gebissen wurde und ein Kollege, der ihm zu Hilfe kam, hinterher blaue Flecken und eine kaputte Uniform hatte.
Und natürlich spielen in solchen Fällen, so Schmeißer, Alkohol oder Drogen die Hauptrolle. Deren enthemmende Wirkung sorge dafür, dass die Täter nicht mehr so recht realisierten, wer ihnen gegenüber stehe. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte wird laut Schmeißer von einer anderen Dienststelle bearbeitet und die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, „was passiert“. Dabei würden der Einzelfall gewertet und die Persönlichkeit berücksichtigt, so der Höchstadter Inspektionsleiter. Vor allem bei jungen Menschen achte man darauf, dass sie z. B. nicht ihre Lehrstelle verlieren („Das will ja keiner“).
Für die Zunahme der Gewalt, nicht nur gegen Polizeibeamte, macht Schmeißer auch die gesellschaftliche Entwicklung mit verantwortlich. Dazu zählen auch Elternhaus und Schule. Das Fernsehen verfälsche zudem Handlungen und ihre Folgen. Da werde x-mal zugetreten und das Opfer stehe danach gleich wieder auf.
Konfliktbewältigung, Kontakt und Kommunikation sind für den Höchstadter Polizeichef wichtige Faktoren, um schon im Vorfeld dafür zu sorgen, dass es nicht zum Äußersten, sprich zur Konfrontation zwischen Bürger und Beamten kommt.
Natürlich gebe es keine Patentlösungen und -rezepte. Wichtig sei aber, dass Jugendliche sich mehr engagieren, auch für andere, beispielsweise in Vereinen, wo man sich gut aufgehoben fühlen könne.
11 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen