Ein langes, bewegtes Leben ging zu Ende

8.5.2015, 15:53 Uhr
Ein langes, bewegtes Leben ging zu Ende

© Erich Malter

Das Letzte, was der damals 15-jährige Berthold Rindsberg im Oktober 1939 von seinem Geburtsort Adelsdorf sah, war ein SA-Mann, der ihn und seine Mutter auf ihrem Weg zum Bahnhof in Adelsdorf beschimpfte. Doch während Berthold Rindsberg einen Zug bestieg, der ihn ins sichere Ausland brachte, blieben seine Mutter und der kleine Bruder in Adelsdorf zurück und wurden drei Jahre später zusammen mit Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen nach Polen deportiert und ermordet. Die Tatsache, dass er Mutter und Bruder nicht hatte retten können, bedrückte Baruch Ron sein ganzes Leben lang.

Geboren wurde Baruch Ron, wie er sich nach seiner Einwanderung 1948 nach Israel nannte, im Jahr 1924 als Sohn einer wohlhabenden jüdischen Viehhändlersfamilie im Haus Hauptstraße Nr. 3 in Adelsdorf. Die Familie war dort seit Generationen ansässig. Im Dorf war man anerkannt und geachtet. „Wir gehörten im Dorf dazu“, so die Erinnerungen von Ron. Das änderte sich mit dem Machtantritt der Nazis ab 1933. Juden wurden zunehmend ausgegrenzt, das spürten vor allem die Kinder, die in der Dorfschule bald isoliert waren. Während andere jüdische Familien aus Adelsdorf emigrierten, hoffte die assimilierte Familie Rindsberg auf bessere Zeiten.

Am 10. November 1938 verwüsteten die Nazis auch in Adelsdorf die Synagoge und die Häuser der Juden. Die jüdischen Männer, darunter Felix Rindsberg, der Vater von Baruch Ron, wurden festgenommen und ins KZ Dachau verbracht. Nach endlosen Wochen kehrte Felix Rindsberg als gebrochener Mann heim und verstarb im Mai 1939. Erst danach bemühte sich seine Witwe Selma um die Ausreise. Ihre Kinder Siegfried und Rosi Rindsberg gelangten 1939 mit Kindertransporten nach Großbritannien und Berthold ergriff im Herbst 1939, sechs Wochen nach Kriegsbeginn, die Chance, nach Dänemark zu gelangen, wo er Aufnahme in einer christlichen Arztfamilie fand.

Im Mai 1942 erhielt Ron die letzte Nachricht von seiner Familie aus dem Ghetto Izbica bei Lublin, wohin die Familie deportiert worden war. Auch den Juden in Dänemark drohte 1943 die Deportation, doch anders als in anderen von den Nazis besetzten Gebieten schlug das Ansinnen der Judendeportationen in Dänemark fehl. In beispiellosen Nacht-und-Nebel-Aktionen schaffte das dänische Volk die verfolgten Juden über die Ostsee ins neutrale und sichere Schweden. Darunter war auch Berthold Rindsberg, der in Uppsala den Krieg überdauerte.

1948 fand Baruch Ron, wie er sich fortan nannte, in Israel eine neue Heimat. Er ließ sich als Schafzüchter in Yoqneam nieder und gründete eine Familie.

Fast 60 Jahre, nachdem er Adelsdorf verlassen hatte, folgten er und seine Geschwister Shlomoh (ehemals Siegfried) und Rosi, die heute in den USA lebt, einer Einladung zur 875-Jahr-Feier von Adelsdorf. Seitdem riss der Kontakt nach Franken nicht mehr ab. Wiederholte Male besuchte Baruch Ron Adelsdorf und berichtete in Schulen in Adelsdorf und Herzogenaurach aus seinem Leben. Auch seine Kinder und zuletzt die Enkelin Tom Lee Zigelman besuchten das Dorf, aus dem die Familie stammte, und wurden dort von offizieller Seite herzlich begrüßt.

Bürgermeister Karsten Fischkal, dem die Aussöhnung mit den ehemaligen jüdischen Bürgern Adelsdorfs ein großes Anliegen ist, kondolierte der Familie in Israel. Baruch Ron verstarb am 1. Mai 2015 im Kreis seiner Familie. Er hinterlässt eine Frau, vier Kinder und sieben Enkelkinder.

Keine Kommentare