Sektenkinder Lonnerstadt: Eltern verlieren Sorgerecht
8.7.2013, 18:20 UhrDas Amtsgericht stützte sich bei seiner Entscheidung zum einen auf ein Gutachten, das das Jugendamt des Kreises Erlangen-Höchstadt 2012 beantragt hatte.
Zum anderen erhielten Beteiligte bei Anhörungen vor dem Gericht im Juni die Gelegenheit, sich zu dem Fall zu äußern. Im Gegensatz zu einem Zivilprozess, bei dem die streitenden Parteien entscheiden, welche Informationen sie vortragen, muss der Richter in diesem Fall anders vorgehen. Er muss selbst alle Details erfragen, die er für seine Urteilsbildung braucht. Am Ende muss er entscheiden, was für das Wohl der "Sektenkinder“ am besten ist.
"Die Entscheidung ist für den Richter nicht einfach gewesen", betont Gerichtssprecher Michael Hammer. Der Richter habe einen "immensen Ermittlungsaufwand" betrieben. "Alle Beteiligten wurden mehrfach gehört, auch die Kinder."
In den nicht öffentlichen Anhörungen wurden neben den Eltern der Kinder auch Vertreter des Jugendamts und der Gutachter gehört, der das gerichtspsychologische Gutachten erstellt hatte. Der Richter befragte bei einem persönlichen Termin auch die Kinder.
Es sei auch zur Debatte gestanden, die Kinder in der Familie zu lassen und mit strengen Auflagen eine Besserung der Situation zu bewirken. Doch sowohl die gesundheitliche als auch die soziale Situation veranlassten den Richter zum Entzug des Sorgerechts. "Die Eltern waren zwar von Anfang an willig, sahen sich zu einigen Dingen aber nicht in der Lage, weil sie an ihre Überzeugungen gebunden sind", so Hammer.
Nach Angaben des Amtsgerichts wurde das Urteil am Montag vollzogen. Die Kinder im Alter von 14, elf und acht Jahren wurden aus dem Elternhaus abgeholt und in eine Einrichtung gebracht. Als die Kinder abgeholt wurden, hätten sich Vater und Mutter kooperativ gezeigt, bestätigt Gerichtssprecher Michael Hammer. Auch in Zukunft würden die beiden Jungen und das achtjährige Mädchen Kontakt zu ihren Eltern haben. Nur werde der Umgang jetzt unter Aufsicht des Jugendamtes stattfinden.
Der für den 2. Juli angesetzte Verkündungstermin am Amtsgericht Erlangen wurde zunächst aufgehoben, teilte Michael Hammer, Pressesprecher des Oberlandesgerichts Nürnberg, mit.
Die Debatte um die Kinder im Markt Lonnerstadt (Kreis Erlangen-Höchstadt) hatte die WDR-Journalistin Beate Greindl mit ihrem Film über die Sekte "Neue Gruppe der Weltdiener“ im Jahr 2012 ausgelöst. Die Erziehungsmethoden der Sekten-Familie werden darin heftig kritisiert: Denn die Kinder sollen bereits früh am Morgen meditieren. Statt zu spielen, sollen sie "an der Seele arbeiten“, heißt es in dem Bericht. Zudem wird den Sektenmitgliedern jegliche medizinische Versorgung verboten. Die Familie ist deswegen auch nicht krankenversichert.
Der Artikel wurde am 8. Juli 2013 um 15.45 und 18.20 Uhr aktualisiert.
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