Wenn Senioren noch Auto fahren

8.2.2017, 08:57 Uhr
Wenn Senioren noch Auto fahren

© Foto: Markus Scholz

Alle Statistiken sind am Ende dann doch nur Zahlen. Natürlich sagen auch die etwas aus, aber gerade bei diesem Thema sollte man dann doch tiefer graben, meint Fahrlehrer Hermann Feyler. Bislang kann in Deutschland bekanntlich jeder ein Leben lang Auto fahren, wenn er einen Führerschein hat. Das hat Folgen: 75 Prozent aller Unfälle, in die Senioren über 75 Jahren verwickelt waren, haben sie auch selbst verursacht, heißt es von Experten der Versicherungsbranche.

In Schweden müssen, wie berichtet, Autofahrer unabhängig vom Alter ihren Führerschein alle fünf Jahre formal erneuern, ab dem 70. Geburtstag sind ärztliche Untersuchungen Pflicht. Hermann Feyler hält das nicht für zielführend. Bei älteren Menschen sollte man nicht nur auf das Alter schauen, sondern vor allem die Gesundheit mit beachten. „Viele ältere Menschen bleiben unfallfrei, wenn sie denn gesund sind“, sagt er.

Seit 36 Jahren bringt er – vor allem jungen – Leuten bei, wie man sich hinter dem Steuer so verhält. Es kamen Menschen wegen einer verpflichtenden Nachschulung und solche, die Punkte in Flensburg abbauen wollten. Für Kontrollfahrten hat sich in all den Jahren aber keiner freiwillig gemeldet. Genau solche „Rückmeldefahrten“, bei denen ein Fahrlehrer die Eignung einschätzt, empfiehlt der Verkehrsgerichtstag nach seinem Treffen in Goslar. Neun Menschen kamen in all den Jahren zu Hermann Feyler – aber nur, weil sie von ihrem Arzt geschickt wurden, beispielsweise nach einem Schlaganfall oder einer Hirn-Operation.

Wenn Leute dagegen so oft negativ aufgefallen waren, dass die Behörden wegen „Eignungszweifeln“ den Führerschein entzogen, „ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“, sagt Feyler. Dann müssen sie gezwungenermaßen in die Fahrschule und viel Geld zahlen, um vielleicht doch wieder fahren zu dürfen. Doch so einfach ist auch das oft nicht. Zwänge würden Menschen zunächst oft in eine Abwehrhaltung zwängen, sagt Feyler.

Und einfach ist die Einschätzung auch nicht immer. Er erinnert sich an einen über 80 Jahre alten Mann, dem er nur noch zumuten wollte, mit einem Traktor mit maximal 25 Stundenkilometern zu fahren. „Ein halbes Jahr später hat er damit jemandem die Vorfahrt genommen und wurde sehr schwer verletzt“, sagt Feyler.

Die entscheidende Frage sei letztendlich: Wie wird das Auto genutzt? Wenn ein älterer Mensch zweimal pro Woche auf bekannten Straßen zum Einkaufen und zum Arzt fahre, „dann geht das solange, bis derjenige nicht mehr laufen kann“, sagt Feyler. Schließlich gibt es längst auch viel technische Unterstützung wie Spurassistenten oder Systeme, die den toten Winkel erfassen.

Das Problem sind spontane Fahrten – beispielsweise zum Facharzt in Erlangen. Womöglich noch bei Schnee oder Nebel, auf unbekannten Straßen. „Da sollte man dann vielleicht doch das Taxi nehmen“, sagt Feyler. Die Einstellung der Menschen zum Autofahren ändern statt der Gesetze, das hält der Fahrlehrer für den richtigen Weg. Ein hehres Ziel freilich, an dem vor allem Verwandte mitarbeiten, mit Oma und Opa, Mama und Papa, sprechen müssen, wenn sie es für notwendig halten. Denn eines hält sich über alle Generationen: Defizite gesteht man sich nur allzu schwer ein.

Der Knackpunkt, wie Hermann Feyler es nennt, ist wieder eine Zahl: 3000. Wer jährlich weniger Kilometer fährt, für den steigt – statistisch erwiesen – die Gefahr, in einen Unfall verwickelt zu werden – allerdings unabhängig vom Alter. „Da lässt auch bei uns das Gefühl nach, das Wissen und der siebte Sinn“, sagt er. Das haben verschiedene Studien belegt, eine „extrem hohe Unfallrate, die nahezu so hoch ist wie die der unter 20 Jahre alten Fahrer mit derselben geringen jährlichen Fahrleistung“ attestieren Wissenschaftler den über 75-jährigen Wenigfahrern.

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