Mega-City aus Pappe: 78-Jähriger baut über 4000 Wolkenkratzer
16.8.2018, 16:22 UhrEin unendliches Häusermeer, schwindelerregende Straßenschluchten, Wolkenkratzer, die den Himmel zu berühren scheinen: Die große, weite Welt kam Mitte der 1950er auf einem Magazin-Cover nach Burgebrach. "Da habe ich zum ersten Mal Chicago mit seinen gigantischen Wolkenkratzern gesehen. Ich war total sprachlos", erinnert sich Karl Sperber.
Viel mehr als die Äcker und Hügel der Umgebung, die Bauernhöfe und bescheidenen Einfamilienhäuschen kannte der damals 14-jährige Sohn einer kleinen Bauernfamilie aus Burgebrach bis dahin nicht. Das Bild von den Wolkenkratzern faszinierte und begeisterte ihn, ließ ihn einfach nicht mehr los.
Mutter verschürte erste Häuser
Aus Holzabfällen begann er, sein eigenes Chicago im Kinderzimmer zu bauen. Mit zunächst mäßigem Erfolg: "Meine Mutter hat die Häuser immer wieder verschürt", erzählt Sperber.
Doch der Burgebracher hatte Feuer gefangen, schnappte sich Pappreste, fertigte Skizzen an und begann, auf immer professionelleren Niveau, Wolkenkratzer nachzubauen. Doch was heißt hier schon nachbauen: Sperber war noch nie in New York oder Chicago, die Hochhäuser und Wohnblocks, Fabrikhallen und Bahnhöfe, die er fortan bastelte, entsprangen allesamt seiner Fantasie.
"Einen Bleistift, Babberdeggl, Uhu und meinen Kopf — mehr brauche ich dazu nicht", betont Sperber. Viel passierte in den folgenden Jahrzehnten in seinem Leben, der Burgebracher machte sich selbständig in der Möbelbranche, gestaltete Küchen in Wohnzimmer in Höchstadt oder Bamberg, machte sich einen Namen in der Region, doch seinem ausgefallenen Hobby blieb er immer treu.
Gerade auch in besonders stressigen Zeiten setzte er sich nach Feierabend oder am Sonntag in seine Bastelstube und träumte sich in seinen Fantasiestadt, zeichnete und faltete geduldig, klebte Aufzüge an Häuserfassaden und schuf so einen Häuserblock nach dem anderen.
"Wenn man bei einem 20-stöckigen Gebäude alle Fenster aufgemalt hat, weiß man, was man gemacht hat", sagt Sperber. "Ich will keine sinnlose Stadt wie Dubai, die nur aus Wolkenkratzern besteht. Bei mir ist es eine lebendige, gewachsene Stadt mit unterschiedlichen Baustilen, in der es auch schmucklose Wohnblocks, Industriebauten oder Grünflächen gibt", betont Sperber.
Platz für Grünflächen fehlt
Vor allem von den Grünflächen hätte er gerne mehr in seiner namenlosen Stadt. Doch es fehlt ihm an Platz in dem ehemaligen Verkaufsraum, in dem die Häuser nun stehen. Seine Stadt hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebreitet, mittlerweile gibt es nur noch auf einer Seite einen schmalen Zugang.
"Irgendwo mittendrin steht auch noch die Nummer eins, mein allererstes Haus. Aber da komme ich schon seit Jahren nicht mehr hin", erzählt Sperber.
Gerne hätte er einen 100 Quadratmeter großen Raum, in dem er seine Stadt großzügig aufbauen und immer wieder erweitern könnte. Schließlich schlummern auch noch viele seiner gebastelten Schätze in Lagerräumen.
"Ich hätte da gerne einen breiten, begehbaren Fluss, der sich durch die Stadt schlängelt", sagt der 78-Jährige, der nur ein Mal seine Häuser der Öffentlichkeit gezeigt und Gebäude zu einer Ausstellung geschickt hat. "Die kamen völlig ramponiert zurück. Seitdem habe ich das nie wieder gemacht", betont Sperber.
Ein unendliches Häusermeer, schwindelerregende Straßenschluchten, Wolkenkratzer, die den Himmel zu berühren scheinen, hat er im Lauf von 65 Jahren angesammelt, nur eben im Maßstab 1:500. Die amerikanischen Städte haben ihn natürlich inspiriert, kopiert hat er sie nicht.
Banales Baumaterial
Beim Baumaterial hat er keinen hohen Ansprüche. Er nimmt alles, was ihn in die Finger kommt, fragt im Supermarkt nach Pappresten, selbst Pappteller können in seiner Stadt aufgehen. "Ich habe schon tolle Häuser aus After-Eight-Verpackungen gebastelt", verdeutlicht Sperber.
"Beim Basteln konnte ich immer gut abschalten. Ich habe klassische Musik oder Hörspiele gehört. Bei vielen Gebäuden weiß ich heute noch ganz genau, was ich gehört habe, als sie entstanden sind", erzählt er.
Von Wolkenkratzern ist Sperber noch immer fasziniert.
Manchmal fährt der 78-Jährige nach Frankfurt, um sich dort die Bankentürme anzusehen. Meistens reicht ihm aber auch die Miniaturversion: "Ich sitze oft abends da und schaue mir einfach nur meine Häuser an."
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