Mollath: Glaubwürdigkeit der Zeugin "tief erschüttert"
23.3.2013, 06:51 UhrWochenlang hat die Regensburger Staatsanwaltschaft an ihrem Schriftsatz gearbeitet. Sie hat Beteiligte gründlich vernommen und Zusammenhänge neu bewertet. Mollaths Anwalt Strate hält diesen Antrag, der unserer Zeitung vorliegt, für so überzeugend, „dass sich die Frage erübrigt, ob nicht noch weiteres zu Gebote gestanden hätte“.
Die Justiz selbst hält es nun für notwendig, das damals sogar von Bundesgerichtshof abgesegnete Nürnberger Urteil von 2006 aufzuheben. Ihr Antrag richtet sich insbesondere gegen die angeordnete Unterbringung Gustl Mollath in einem psychiatrischen Krankenhaus. Zu entscheiden hat darüber nun das Landgericht in Regensburg.
Die dortige Staatsanwaltschaft begründet ihre Haltung mit einigen Kernpunkten. Zunächst war damals, so schreibt die Justiz, „eine als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht“. Gemeint ist das ärztliche Attest, mit dem die damalige Ehefrau Mollaths ihre Verletzungen nachwies, die ihr Gustl Mollath 2001 zugefügt haben soll. Abgesehen davon, dass dieses Attest fast ein Jahr nach der angeblichen Tat ausgestellt wurde, stellt die Staatsanwalt jetzt fest, dass nicht die auf dem Papier angegebene Ärztin Urheberin ist, sondern deren Sohn, ein damaliger „Weiterbildungsassistenten, der die Prüfung zum Facharzt für Allgemeinmedizin noch nicht erfolgreich abgelegt hatte“.
Wert gemindert
Dieser Umstand mindere den Beweiswert des ärztlichen Zeugnisses erheblich. Das Attest spielte bei der Verurteilung Mollaths eine maßgebliche Rolle. Gehört wurde die Medizinerin 2006 vor Gericht nicht. Der Inhalt des Attests wurde lediglich verlesen. Zu Wort kam dazu in der Verhandlung nur die damalige Frau Gustl Mollaths. Zu deren Glaubwürdigkeit sieht die Justiz heute „neue Tatsachen“. Diese belegten, dass deren Angaben „unglaubhaft, die Zeugin selbst unglaubwürdig ist“.
Die Staatsanwaltschaft beschäftigt sich in diesem Zusammenhang auch mit der Erklärung eines früheren Freundes des Paares, über welche die Nürnberger Nachrichten bereits im November 2011 berichtet haben. Seit dieser Zeit liegt das Dokument auch Justizministerin Beate Merk (CSU) vor. Eine Notwendigkeit zu handeln, sah sie seinerzeit nicht.
Bei dem Mann handelt es sich um einen Zahnarzt, der angab, Mollaths damalige Frau habe angekündigt: „Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig.“ Sie war bei der HypoVereinsbank beschäftigt. Der heute 56-jährige Mollath beschuldigte sie illegaler Schwarzgeldgeschäfte, von denen er sie abbringen wollte.
Diesem Zahnarzt gegenüber habe die damalige Frau Mollath trotz mehrfacher Kontakte „zu keinem Zeitpunkt erwähnt, dass ihr Mann sie misshandelt habe“. Die Aussage des Mollath-Bekannten wertet die Regensburger Justiz jetzt als neues Beweismittel. „Aufgrund des zeitlichen Ablaufs der Geschehnisse steht fest, dass die ,Bedingung‘, bei deren Eintritt die Frau Gustl fertig machen werde, tatsächlich eingetreten ist“, heißt es in dem Wiederaufnahemantrag, „Herr Mollath hat sich mit der HypoVereinsbank in Verbindung gesetzt und auf die aus seiner Sicht illegalen Aktivitäten seiner Frau hingewiesen.“ Ihr sei bekannt gewesen, dass die Bank die interne Revision eingeschaltet hat. In der Folge habe sie ihre Arbeit verloren. Diese „neuen Tatsachen“ begründen für die Justiz heute „erhebliche Zweifel“ daran, ob die Zeugin, also Mollaths damalige Ehefrau, „ohne jeden Belastungseifer“ war, wie es in dem Urteil aus dem Jahre 2006 ausdrücklich heißt.
Ihre drohenden „Prophezeiungen“, die sie dem Zahnarzt gegenüber machte, hätten sich „allesamt erfüllt“. Ihre Glaubwürdigkeit sieht die Staatsanwaltschaft im Lichte der neuen Gegebenheiten „tiefgreifend erschüttert“. Einen ganz anderen Blick wirft die Justiz heute auch auf die jahrelang aufrechterhalten Vorwürfe, Mollath habe seinen angeblichen Banken-Wahn auf unbeteiligte Dritte ausgeweitet. Dabei geht es um Dr. Michael Wörthmüller, Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie in Erlangen. Er sollte Gustl Mollath untersuchen, lehnte dies aber ab, weil er befangen sei. Ein Nachbar, der von den Geldgeschäften seiner Frau über Dritte wusste, habe ihn auf den „Zustand“ Mollaths hingewiesen.
Wie Mollath Wörthmüller einschätzte, so die Justiz in ihrem aktuellen Antrag, sei zwar falsch gewesen, aber „keineswegs wahnbedingt“. Der Gutachter, der Mollath dann für krank und gemeingefährlich einstufte, sei von „unzutreffenden Zusatztatsachen“ ausgegangen. Aus diesen Gründen müsse es jetzt eine neue Verhandlung geben.
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