Millimeterarbeit im Bahntunnel

17.8.2013, 09:30 Uhr
Stattliches Referenzprojekt von Bögl: der Bahntunnel bei Münster-Wiesing in Österreich.

© Firmengruppe Max Bögl Stattliches Referenzprojekt von Bögl: der Bahntunnel bei Münster-Wiesing in Österreich.

Jedes der geschwungenen Teile wiegt zwölf Tonnen. Aufgestapelt sehen die Tübbings aus Hochleistungsbeton wie eine Skateboard-Bahn auf Lagerhalde aus. Doch deren Einsatz als Spielgerät wäre eine ziemliche Verschwendung: Mit einer Einbautoleranz von weit unter einem Millimeter werden immer sieben Elemente plus konischem Schluss-Kunststein zur dichten Tunnelröhre verpresst. Und die ist so stabil, dass sie im Untergrund Gestein und Wasser trotzen kann — und dass ICE-Züge durch sie hindurch rasen können.

Exakt produzierte Tübbings sind nur durch perfekte Schalungen möglich.

Exakt produzierte Tübbings sind nur durch perfekte Schalungen möglich.

Bei der europaweiten Ausschreibung des Jahrhundert-Bahnprojektes in Baden-Württemberg gab es dem Vernehmen nach acht Anbieter. Die Firmengruppe Max Bögl bekam den Zuschlag. Sprecher Jürgen Kotzbauer: „Das ist ein sehr überschaubarer Markt an Herstellern, weil die geforderte hohe Genauigkeit sehr viel Knowhow erfordert.“

Die exakte Produktion der Tübbings beginnt bei der Herstellung der Stahl-Schalungen, in denen die Betonelemente gegossen werden. Mit Hilfe eines Lasergerätes sorgen die Experten im hauseigenen Stahl- und Anlagenbau dafür, dass die Toleranz von 0,3 Millimeter eingehalten wird. Die in Beton gegossenen Tunnelelemente haben dann auf dem Bögl-Lagerplatz 28 Tage Zeit zum Aushärten: Die Restfeuchte schwindet nach und nach aus dem Bauteil, so dass es am Ende exakt die vorgeplanten Abmessungen hat. „Der große Vorteil besteht darin, dass man jeden Stein industriell unter kontrollierten Bedingungen im Werk herstellen und auf seine Qualität prüfen kann“, sagte Bögl-Sprecher Kotzbauer.

Bauteile am Fließband

Früher haben die Bautrupps die Beton-Tunnelelemente an Ort und Stelle gegossen. Innerhalb von 24 Stunden mussten die Abschnitte im Bauwerk aushärten — ein zeitaufwändiges und fehlerträchtiges Verfahren. Heute bohren sich die bis zu hundert Meter langen Vortriebsmaschinen durch den Berg; eine doppelte Förderstraße bugsiert den Abraum aus Geröll und Erdboden ins Freie und schluckt die angelieferten Tübbing-Elemente. Bauteil für Bauteil wird automatisch an die richtige Stelle der Tunnelwand gesetzt. Eingeklebte Gummidichtungen sorgen dafür, dass die Röhre dicht ist.

Das Tunnelbauverfahren stellt an den Lieferanten nicht nur hohe Qualitätsanforderungen: Auch die Logistik, die Zulieferung der Bauelemente, will geplant sein. Der Transport der schweren Betonsteine ist auch ein bedeutender Kostenfaktor des Riesenauftrages. Im Fall von „Stuttgart 21“ verlädt Bögl die Elemente in Sengenthal auf Bahnwaggons und rollt diese auf dem Privatgleis nach Neumarkt, wo die Schienentrasse auf das öffentliche Netz trifft. Mit dem Güterzug treten die Tübbings die Reise nach Stuttgart an und werden dort für die letzte Strecke zur Baustelle auf Lastwagen verladen.

Bögl verfügt deutschlandweit über drei Fertigteilwerke: Neben Sengenthal produziert das Bauunternehmen noch in Hamminkeln nördlich von Düsseldorf und in Linthe südlich von Berlin. Liegt die Baustelle aber zu weit von einem der Bögl-Betonwerke entfernt, dann kann das Unternehmen vor Ort eine „mobile Feldfabrik“ aufstellen, die demontierbar ist und beispielsweise in Schiffscontainern zur Einsatzstelle transportiert werden kann.

In Sengenthal beschäftigen sich rund 300 Bögl-Beschäftigte in wechselnden Projekteams nicht nur mit Tübbings, sondern je nach Bedarf auch mit der Herstellung von Windturm-Elementen, Bahnschwellen, festen ICE-Fahrbahnen und Fertigteilen für den Industriebau. Der über drei Jahre laufende Bahn-Großauftrag wird in Sengenthal im Fertigteilwerk mit der vorhandenen Belegschaft abgewickelt.

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