Ein total verjazztes Wochenende
28.10.2013, 11:00 UhrHöhepunkt und Aushängeschild wieder das Traditional Jazz Studio aus Prag; die Herren, die zusammen über 450 Jahre alt sind, manche spielen schon über 50 Jahre gemeinsam, gefielen mit dem, was der konventionelle Jazzfreund erwartet. Und waren einfach spitze.
Eingespielt seit Jahren, das gute, alte Jazz-Programm im Blut, überzeugten sie – und so mancher musste feststellen, dass seine Füße, losgelöst von normaler Hirntätigkeit, plötzlich ein sehr rhythmisches Eigenleben entwickelten.
Pavel Smetácek (Klarinette), Rudolf Musil (Sopran- und Tenor-Saxofon), Petr Hasman (Cornet), Jarolsav Zeleny (Posaune), Antonin Bily (Klavier), Ondrej Cernil (Bass), Miroslav Chrobak (Schlagzeug) hießen die Helden des Abends, und das ist nicht ironisch gemeint. Im Gegenteil: Was die Jazz-Arbeiter im Gewölbe boten, war erste Sahne. „Lady, be good to me“, „when your smiling“, „when the saints go marching in“, ein verhalten, aber gekonnt jodelnder Posaunist, das muss erst überboten werden.
Warum die Tschechen so einen Draht zum Jazz haben: Zwei Brüder boten dazu zwei Antworten. „Die Deutschen können den Jazz doch genauso gut“, gab sich Großmeister Pavel Smetácek bescheiden. Den Tschechen liegt es einfach im Blut, sagte sein Bruder Ivan Smetácek. In der Familie Smetácek war es der Vater, der mit dem Jazz anfing, noch in den 30er Jahren, die beiden Söhne folgten. Erfolgreich.
Gefragtes Ensemble
Eröffnet hatte das Wochenende das Blackflash Trio, das mit experimentellem Jazz und einem Vibraphon überraschte, gefiel oder nicht gefiel. Gut gefüllt war der Gewölbekeller, aber noch mehr Fans des Jazz hatten sich am Samstag versammelt, um den Stammgästen vom Traditional Jazz Studio zu lauschen. Die kamen denn auch nicht ohne Zugabe davon und nach einer um eine Stunde verlängerten Nacht ging es am Sonntag, zur Winterzeit, zur Matinee mit dem deutschlandweit gefragten Swing-Ensemble Margit Held Quartett. Frühschoppen in der Residenz also, Weißwürste, Brezen, Weißbier lockten.
Und eben Margit Held. Die Frontfrau der Kombo begeisterte das Publikum in der Krümperstallung mit ihrer Stimme, ihrem Lächeln, ihrem Auftritt. Als kenne man sich seit Jahren, sei nur eben mal kurz draußen gewesen, eine rauchen. Pianist Sören Balendat, Kontrabassist Hendrik Gosmann und Schlagwerker Stefan Seegel rissen das Publikum mit. Was das Quartett routiniert und gut eingespielt, aber mit viel Liebe zum Detail und zur Improvisation bot, hatte Klasse. Eine Klasse für sich. Südamerikanische Einflüsse in „Wave“, die gedanklich nach Ipanema entführten, freie Improvisation in vielen Stücken mit ausgiebigen Soli für Klavier, Bass und Schlagzeug, nach allen Regeln der Kunst alles ausgeschöpft, was da spielbar ist – immer wieder begleitete begeisterter Applaus die vier Künstler.
Doch ausgelobt. Was das siebte Jazz-Weekend mehr vertragen hätte, wären mehr Zuhörer gewesen. Platz war noch genug im Gewölbe und Programm und die Anstrengungen der ehrenamtlichen Helfer um Musikschul-Chef Wolfgang Fuchs hätten es verdient gehabt.
Kurzes Fazit: Jazz vom Feinsten, perfekt in Szene gesetzt. Auf alles andere hat man keinen Einfluss.
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