Klassik und Jazz: Crossover zwischen Zwillingen

4.6.2012, 11:30 Uhr
Klassik und Jazz: Crossover zwischen Zwillingen

© Fritz Etzold

Aktueller konnte der Abend nicht beginnen: mit der Uraufführung von Simon Scharfs „Gemini“. Das heißt „Zwillinge“, meint die Ähnlichkeiten und Gegensätze zwischen improvisierter und streng notierter Musik, die zwischen einer Jazz-Band mit Classic-Sound und dem großen spätromantischen Symphonieorchester.

Nur die Sitzordnung war bei Scharf ein bisschen anders, und die Saxophone hatten bei Anton Bruckners 4. Symphonie Pause. Noch vor die Chorschranke waren im Kloster St. Josef die Streicher gesetzt, als Mittelblock dann das Bigband-Blech, dahinter, was es an Bläsern sonst noch gibt.

Der 28-jährige Simon Scharf ist Kompositionsstudent in Nürnberg, und seine „Gemini“-Abschlussarbeit thematisiert Ähnlichkeiten und Kontraste: Beginnen lässt er sein 42-minütiges Stück in fünf Sätzen mit geheimnisvollen Weltraumklängen – schließlich ist „Zwillinge“ ja auch ein Sternbild. Geheimnisvolles Rauschen, allerlei klingelndes Schlagwerk, angerissene Saiten verdichten sich zu einer Art Signal wie bei Richard Strauss. Das klingt interessant, macht gespannt.

Raum für Experimente

Silvan Koopmann schafft als Dirigent trotz der großen Besetzung eine luzide Atmosphäre, in der Scharfs Instrumentierungseinfälle ihre Wirkung entfalten können. Er hat offenbar keine sich auf einen Höhepunkt hin entwickelnde symphonisch-jazzige Dichtung im Sinn, sondern immer wieder veränderte Klangtable aus in verschiedenen Farben und Rhythmen, mit denen er experimentiert. Unüberhörbar hat er sich von Ravel inspirieren lassen: vom „Bolero“ oder den instrumentierten „Bildern einer Ausstellung“ – nicht zu unrecht, denn zu Ravels Zeit hat der Jazz den Weg in die E-Musik gefunden.

In Simon Scharfs Stück gibt es eindeutige Jazz-Schwerpunkte („Swing“) bei denen der Streicherklang höchstens den Rhythmus unterstützt: da sitzen die Musiker ein bisschen unterbeschäftigt neben dem, was die Bigband-Bläser effektvoll abliefern dürfen. Sie haben erst im feierlichen Adagio wieder zu tun, wo sich naturhafte Bläsergefühle und gefühlvolle Cellostimmen mischen. Wer Cross-over liebt, wird hier reichlich bedient, mal mehr mal weniger gelingt die Klangsymbiose, und das abschließende Prestissimo tobt sich in Klangkonvulsionen aus.

Auch Anton Bruckners Vierte entwickelt sich vom dreifachen Piano bis zum Fortissimo. Das „Gemini“-Pendant fasziniert von Anfang an mit dem geheimnisvollen Hörnerklang, der sich zum Hauptthema entwickelt, die Geigen stimmen mit ihrem Jubel ein: Das ist ein Stück, in dem die Klangbalance gelingt. Auch dank Guido Johannes Rumstadts ruhig-konzentrierter Leitung und straffer Führung: ein fürsorglicher Lehrer, der das „nicht zu schnell“ sehr wörtlich nimmt, mehr formt als anfeuert.

Beeindruckender Schluss

So gelang ihm mit dem Hochschul-Sinfonieorchester eine handwerklich sehr solide Aufführung, die eine Idee davon vermittelte, was diese Vierte sein will zwischen Beethovens „Pastorale“ und Mahlers Naturlautmystik. Schön beeindruckt der große C-dur-Schluss des Andantes mit immer neuen, gestaffelten Höhenzügen, präzise kam das rege Leben der Hörner – ein romantisches Mittelalterbild, in das das Scherzo-Trio gemütlich hineinpasst.

Eine Wiederholung des Konzerts ist am 15. Juni, 19.30 Uhr, in der Musikhochschule Nürnberg zu erleben.

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