Sozialbeiträge von über 30 000 Euro nicht bezahlt
25.7.2014, 09:53 UhrRechtsanwalt Laszlo Nagy gibt seiner Mandantin noch ein paar letzte Hinweise, bevor die Verhandlung beginnt. Leise flüstert er ihr Sätze ins Ohr, während sie still da sitzt. Ihre Hände sind gefaltet – nur die häufig blinzelnden Augen verraten Nervosität. Ihr Ehemann, ebenfalls angeklagt, rührt sich kaum.
Von 2006 bis 2010 führte die Frau eine Reinigungsfirma – und prellte die Sozialversicherungen in 120 Fällen um über 24 000 Euro. 2011 übernahm ihr Ehemann, der in zwölf Fällen nicht bezahlte und so einen Schaden von etwa 7000 Euro verursachte. Sie zahlten unter den Mindestlöhnen der Branche und meldeten ihre Angestellten falsch oder gar nicht.
Anwalt Nagy beteuert in seinen Ausführungen, dass die Angeklagte von ihrem Arbeitgeber in die Selbstständigkeit gedrängt wurde, damit dieser sparen könne. Doch mit der neuen Situation als Unternehmerin tat sich die 41-Jährige schwer: „Sie war vollkommen überfordert.“ Außerdem habe sie „drei Kinder im Rücken“, um die sie sich kümmern müsse. Dazu kommt noch das Kind ihrer 18-jährigen Tochter, selbst noch Schülerin. „Ich wollte das nicht, aber ich habe meinen Job verloren“, sagt die Frau. Der Anwalt des Ehemannes ergänzt: „Sie wurden nicht richtig von ihrem Steuerberater aufgeklärt.“ Beiden tut ihr Verhalten leid. Pikant: Die Frau hat bereits fünf Vorstrafen, wegen Diebstahls, Fahrerflucht und Körperverletzung, jedoch aus den 90er Jahren. Auch ihr 47-jähriger Mann wurde 2012 zu einer Geldstrafe verurteilt, nachdem er seine eigene Tochter geschlagen hatte.
Bei den Ermittlungen zeigten sich die beiden Eheleute allerdings kooperativ. Sie hätten sofort „reinen Tisch gemacht“, so Richter Rainer Würth. Auch Aspekte, nach denen die Ermittler gar nicht gefragt hätten, die aber trotzdem wichtig waren, hätten sie mitgeteilt.
Berufliche und private Lasten machen der Frau zu schaffen, daher tut sich Würth mit dem Urteil schwer. Sie arbeitet noch immer als Reinigungskraft, verdient etwa 950 Euro im Monat. Ihr Partner bekommt als Autohändler 1500 Euro. Doch mit drei Kindern, den Nachzahlungen für die Beiträge und den Strafen, ist die finanzielle Situation der Familie prekär. Der Frau bleibt kaum Zeit für Strafarbeit, außer von zu Hause aus. „Sie könnte ja für das Amtsgericht kochen“, sagt ihr Anwalt Nagy.
Würth überlegt lange, und entscheidet sich überraschend: die gelernte Krankenschwester bekommt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung — ohne Auflagen. Ihr Mann bekommt sieben Monate und eine Geldstrafe von 1800 Euro. Auflagen für die Angeklagte seien „praktisch nicht durchführbar“, sagt Würth. Außerdem sei sie durch die Geldstrafe ihres Mannes betroffen. Er hielt beiden zu Gute, dass ihr Vorgehen nicht ge-
plant, sondern aus Überforderung entstand. Zudem hätten sie aktiv bei den Ermittlungen mitgewirkt.
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