Windhose von Ohausen war ein "F1-Tornado"
2.6.2015, 06:00 Uhr„Jackpot! Wir waren an einer Superzelle bei Neumarkt i.d.Opf., die mehrere Funnel innerhalb weniger Minuten produziert hat. Möglicherweise sogar mit Bodenkontakt“, schreibt der „Stormchaser“ Christopher Pittorf am Freitagabend um 18.41 Uhr auf seiner Facebook-Seite „Stormchasing Oberfranken – Dem Unwetter auf der Spur“.
Der 25-jährige Sturmjäger aus Stadtsteinach hat den Tornado bei Freystadt live miterlebt. Auch wenn für ihn nach eigenen Angaben ein lange gehegter Lebenstraum in Erfüllung ging („Es war mein erster Tornado“), vergaß er freilich nicht, die Trichterwolke (Funnel) schon in ihrer frühen Phase sofort über die „Skywarn“-Hotline zu melden.
Andreas Friedrich, der Tornadobeauftrage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach, war am Freitag noch im Urlaub. Für die NN warf er gestern einen Blick in die DWD-Datenbank und die gängigen Internetforen. „Ja, das was ein echter Tornado“, bestätigt er, „wenn auch nur einer der Stärke F1.“
Sattelzug auf A 9 umgeweht
Zum Vergleich: Der verheerende Tornado am 13. Mai in Schwaben hatte die Stärke F3. Monsterwirbel der Stärke F4 und F5 können sogar Schäden wie nach einem Bomberangriff anrichten.
Aber die Ohausener hätten auch auf das „Windhöschen“ gerne verzichtet. Immerhin erreichten die Windgeschwindigkeiten in dem Wirbel 150 bis 180 Stundenkilometer. Das reicht zum Dachabdecken, und die umherfliegenden Ziegel können zu tödlichen Geschossen werden.
Sturmjäger Pittrof schätzte die Schneisenlänge des Tornados auf rund 2,4 Kilometer mit einer Breite von bis zu 200 Metern. Angekündigt hatte sich der Twister schon wenige Minuten zuvor ein paar Kilometer westlich, auf der Autobahn A9. Wie die Verkehrspolizei Feucht mitteilt, wurde dort am Freitag um 17.53 Uhr ein polnischer Sattelzug kurz nach der Anschlussstelle Hilpoltstein von einer Windhose erfasst und nach rechts gedrückt.
Der Lkw durchbrach die rechte Schutzplanke, kippte auf die Beifahrerseite und kam unten in der Böschung zum Liegen. Der Fahrer konnte sich selbstständig aus dem Führerhaus befreien, er wurde mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Die Bergung des Sattelzugs dauerte bis in die Morgenstunden des Samstags.
„Es müssen einige Bedingungen vorherrschen, dass sich ein echter Tornado bildet“, sagt DWD-Experte Andreas Friedrich. Eine Gewitterwolke auf niedriger Basis, viel Feuchtigkeit unterhalb der Wolke und starke Temperaturgegensätze sind grundsätzliche Voraussetzungen. Und vor allem so genannte „Windscherungen“, plötzliche Änderungen der Richtung oder der Geschwindigkeit des Windes. „Er nimmt dann mit der Höhe zu, dadurch können sich die Luftmassen in Rotation setzen“, erklärt Friedrich.
Unsichtbarer Wirbel
Aber erst wenn die rotierende Luftsäule den Boden berührt, spricht man von einem Tornado, landläufig auch von einer Windhose. Dabei ist die Trichterwolke nur der sichtbare Teil der Windsäule und muss nicht unbedingt den Boden erreichen. Friedrich: „Der Wolkenschlauch kann auch auf halber Höhe abbrechen, und dennoch wütet ein unsichtbarer Windwirbel am Erdboden.“
20 bis 60 Tornados werden pro Jahr in Deutschland beobachtet. Tendenz steigend. Aber nicht wegen des Klimawandels, wie man nun voreilig vermuten könnte. Sondern weil die Dunkelziffer immer weiter abnehme, sagt der Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst. „Früher wurden viele Fälle nicht entdeckt oder gar dokumentiert. Heute zückt ein Augenzeuge gleich sein Smartphone und sendet das Foto ein.“ Ein paar Verhaltensregeln hat der Tornadobeauftragte natürlich auch parat: „Was bei Gewitter empfohlen wird, ins Haus oder ins Auto, kann bei einem Tornado genau das Falsche sein.“
Denn ein wirklich starker Tornado – und die gebe es auch in Mitteleuropa – könne ein Auto durch die Luft wirbeln sowie Türen und Fenster eindrücken. „Wenn man schon im Haus ist, dann begibt man sich am besten in den Keller.“
Ganz flach hinlegen
Im Grunde gilt: Einem Rüssel, der aus einer Wolke ragt, sollte man großräumig ausweichen. Wer aber direkt drin im Wirbel ist, „der sollte sich flach auf den Boden legen, mit dem Gesicht nach unten“, rät Friedrich.
Der als „Staanicher Sturmjäger“ bekannte Christopher Pittrof war indessen schon wieder auf der Pirsch. Gestern fuhr er in südliche Richtung, wo er wieder zum Teil heftige Gewitter erwartete. Eine Sturmzelle bei Ingolstadt hat er am Nachmittag fotografiert. Doch „Funnels“ produzierte die dunkle Gewitterwolke diesmal keine.
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