Stromausfall bringt Asylbewerber in Rage
4.12.2013, 09:00 Uhr"Der war lieb und nett, hat von allen am besten Deutsch gesprochen, hat das ordentlichste Zimmer gehabt, war eigentlich perfekt“, beschreibt die Wirtin den Angeklagten, der inzwischen in eine andere Stadt umgesiedelt wurde. Nur hatte der 22-Jährige oft auch schlechte Tage, war dann launisch und neigte zu Überreaktionen. „Da ist ihm jeder am besten aus dem Weg gegangen.“
Am 8. April 2013 ist offenbar wieder so ein Tag. Dazu kommt ein zufälliger Stromausfall, dessen Ursache der 22-Jährige missdeutet. Er hört nach dem Abendessen in seinem Zimmer laut Musik - nicht das erste Mal: „Er hatte eine supergroße Stereoanlage“, erinnert sich die Wirtin.
Plötzlich, kurz nach 19 Uhr, verstummt die Musik. „Strom ist weg“, schreit der Mann runter in die Küche. Dort wundert sich die Wirtin, weil bei ihr im Erdgeschoss Lichter und Geschirrspüler funktionieren. Weil sie sich mit den Sicherungen nicht gut auskennt und ihr Mann nicht da ist, vertröstet sie ihren Gast auf den nächsten Morgen. Der 22-Jährige glaubt hingegen, seine Gastgeberin habe ihm den Saft vorsätzlich abgedreht. Es kommt zum Streit, in dessen Verlauf der junge Mann mehrmals damit droht, er zünde das Haus an, wenn er nicht Strom bekomme.
„Wie meine Buam“
Dies beteuert vor Gericht die Wirtin und auch ein Mitbewohner, der im Nebenzimmer fern gesehen hat. „Ich habe richtig Angst bekommen“, sagt die Frau. „Ich musste die Sache anzeigen, um den Bewohnern die Grenzen aufzuzeigen. Ich behandle sie wie meine Buam, muss aber eine strenge Mama sein.“
Anders die Version des Angeklagten: „Ich wollte von ihr nur eine Kerze. Ich habe von Feuermachen geredet, sie hat das wohl falsch verstanden.“ Deshalb habe er auch dem Strafbefehl widersprochen. Auch weil er nur geduldet ist und unangenehme Folgen für sein Asylverfahren fürchtet.
Ein junger, intelligenter, aber impulsiver Mann in den Fängen des deutschen Asylrechts, zum Nichtstun verdammt und deswegen deprimiert. Das sieht auch der Staatsanwalt so und baute dem 22-Jährigen eine „goldene Brücke“: Er solle den Einspruch zurücknehmen, bevor es richtig teuer wird. Auch Richter Rainer Würth redet dem Angeklagten ins Gewissen.
Dieser erkennt seine Lage und akzeptiert den Strafbefehl über 150 Euro mit Aussicht auf Ratenzahlung. „Sie machen auf uns einen anständigen Eindruck“, sagt Würth. Sein dringender Rat: „Sie müssen aber lernen sich zu beherrschen.“
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