Zugeschütteter Ludwigskanal bei Sengenthal entsteht neu
16.11.2014, 09:00 UhrSchnurgerade und bestens gepflegt verläuft der Alte Kanal in Sengenthal entlang des Bögl-Werksgeländes. Nur direkt an der Hauptzufahrt zum Unternehmen an der Kreuzung mit der B 299 fehlt plötzlich ein Stück der Wasserstraße, vor rund 40 Jahren mit einer Betonleitung verrohrt und zugeschüttet.
Auch die über 30 Meter lange historische Schleuse Nummer 31 wurde damals zugeschoben. Nur Fachleute können sich einen Reim auf den kleinen, steingefassten Wasserfall mitten auf dem Bögl-Parkplatz machen: das sogenannte Oberhaupt des Kanal-Hebewerkes.
„Einmalige Chance“
Doch die für immer verloren geglaubte Kanalpassage soll nun wieder auferstehen. Für Kanalfreunde im Neumarkter Raum dürfte das Vorhaben eine kleine Sensation sein.
Nach Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes Regensburg soll im Zuge des Ausbaus der B 299 an der Bushaltestelle gegenüber der Bögl-Zentrale eine Fußgängerunterführung gebaut werden. Die Sperrung der Bundesstraße ist laut Simon Hofmeister vom Wasserwirtschaftsamt eine „einmalige Chance, und die wollen wir nutzen“. Mit einem Kostenaufwand von insgesamt 1,5 Millionen Euro sollen in den nächsten drei Jahren mehrere Bauabschnitte realisiert werden.
Bei dem Gemeinschaftsprojekt von Wasserwirtschafts- und Straßenbauamt soll das zugeschüttete Kanalstück auf knapp 300 Metern wieder freigelegt und rekonstruiert werden. Auch die Schleuse 31 soll ausgegraben und in den historischen Zustand zurückversetzt werden.
Start schon 2015?
Simon Hofmeister kündigte an, dass sogar die längst zerstörten Schleusentore nach Originalstücken detailgetreu und funktionsgerecht von einem versierten Handwerker rekonstruiert werden sollen.
Der schiere Bundesstraßendamm über den zugeschütteten und verrohrten Kanal soll einem Brückenbauwerk weichen, das den Ludwigskanal und einen Radweg überspannen soll. An dieser Stelle soll dann laut Wasserwirtschaftsamt der Alte Kanal einen nicht originalen Verschwenk bekommen, um durch den Kreuzungswinkel B 299-Wasserstraße die Kosten für die Brücke einzudämmen.
Und das Vorhaben ist alles andere als Zukunftsmusik: Haushaltsmittel sind mit besten Aussichten beantragt; beim Landratsamt läuft bereits das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren — eher eine Formalität.
Mit dem Bau könnte bereits 2015 begonnen werden. Der Kanal gehört ohnehin dem Freistaat Bayern. „Lediglich von Bögl brauchen wir ein paar Quadratmeter, aber es ist schon signalisiert worden, dass wir den Grund kriegen“, sagte Hofmeister.
Der Kanal ist im 19. Jahrhundert auf Initiative von König Ludwig I. erbaut worden, um auf einer 172 Kilometer langen Strecke zwischen Kelheim und Bamberg Donau und Main zu verbinden. Eine der ersten Public-Private-Partnerschaften in Form einer Aktiengesellschaft geriet durch Intrigen und Verzögerungen beim Bau ins Schleudern: Das Königreich kaufte die Aktien auf und übernahm so den Kanal. Wenige Jahrzehnte hatte der Schifffahrtsweg wirtschaftliche Bedeutung, geriet aber durch die Konkurrenz der Eisenbahn immer mehr ins Hintertreffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der durchgehende Schiffsverkehr eingestellt.
Zwischen Plankstetten und Nürnberg ist der Alte Kanal weitgehend erhalten. Neumarkt liegt an der Scheitelhaltung, wo der Kanal auf 24 Kilometern Länge im Bereich der Europäischen Wasserscheide ohne Schleuse ausgekommen ist.
Wichtige Funktion
Aus der Sicht des Wasserwirtschaftsamtes ist die Rekonstruktion des Kanals bei Sengenthal alles andere als denkmalschützerische Sentimentalität: Die Wasserstraße erfüllt seit dem Bau in der ganzen Region eine wichtige Funktion im Gewässersystem.
Sie nimmt Niederschlagswasser auf und verhindert zum Beispiel bei Starkregen Überschwemmungen. Hofmeister: „Das Entwässerungssystem der Stadt Neumarkt ist ohne den Kanal nicht denkbar.“
Einerseits muss der Ludwigskanal heute als Folge zahlreicher Flächenversiegelungen viel mehr Oberflächenwasser aufnehmen als vor 150 Jahren. Andererseits ist das Gewässer nach der Aufgabe als Schifffahrtsstraße an vielen Stellen durch Aufschüttungen und Rohre mit geringem Durchmesser praktisch unterbrochen worden — was den Wasserabfluss nachhaltig behindert.
„Deshalb versuchen wir, überall, wo es möglich ist, Durchflussmöglichkeiten zu schaffen“, bekennt Simon Hofmeister. Solche Kanalöffnungen gab es in jüngerer Vergangenheit einige: beispielsweise am Berliner Ring, an der St. Florian-Straße und am Greißelbacher Bahnhof.
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