Asyl ist Menschenrecht: Ausstellung im Neustädter Rathaus
23.04.2017, 09:29 Uhr
Dass dies in Neustadt sowie in 15 weiteren Unterstützerkreisen im Landkreis von Hunderten Ehrenamtlichen auf vielfältige Weise geschieht, würdigten stellvertretender Landrat Bernd Schnizlein und Neustadts Erster Bürgermeister Klaus Meier, der diesen Kräften Anerkennung für ihre "höchst bemerkenswerte Leistung" zollte, ohne die in der Flüchtlingsarbeit vieles nicht möglich wäre.
Meier ging der Frage nach, warum sich das öffentliche Interesse am Schicksal der Flüchtlinge gegenüber der akuten Phase des großen Zustroms hilfesuchender Menschen ganz erheblich reduziert habe. Die beste Erklärung dafür wäre, "dass sich die Ängste, die geschürt worden sind, als unwahr herausgestellt haben, dass wir hier in Deutschland es doch geschafft haben, diese Menschen aufzunehmen". Viele Initiativen mochten dazu beigetragen habe, über die bei der Ausstellungseröffnung die Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair und Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat berichteten.
Auch Caritaskreisvorsitzende Sabine Herderich und Dorothea Hübner vom Netzwerk „über Zaun und Grenze“ sowie Constanze Eckart vom Unterstützerkreis machten deutlich, was hinter den nüchternen Zahlen der auf der Flucht vor Folter und Tod in der Region angekommenen Menschen steht. "Refugees welcome" war denn auch mit einem Frage- und einem Ausrufezeichen versehen.
Anders als in anderen Regionen Bayerns und Deutschlands sollte im Landkreis das Ausrufezeichen gelten, wie es die Ausführungen von Herderich und Hübner mit der Botschaft deutlich machten, "dass Integration dann gelingt, wenn Türen offen stehen". Für gut 120 engagierte "Anwälte der Geflüchteten" alleine im Neustädter Unterstützerkreis zeigte Constanze Eckart die Breite der Angebote von der Begleitung bei Behördengängen bis zur Lernbegleitung in der Schule, von Fahr- und Dolmetscherdiensten bis zur Freizeitgestaltung auf, die Flüchtlingen das Leben in einer fremden Kultur erleichtern und sie ermutigen sollen, "an der Gesellschaft teilzunehmen".
Die Willkommenskultur stärken
Ermutigen soll die Ausstellung auch, sich dem Unterstützerkreis anzuschließen, die Willkommenskultur zu stärken sowie "keine rassistischen und ausländerfeindlichen Tendenzen zuzulassen", wozu Grünen-Stadträtin Monika Gaubitz aufrief, die sich um die "bewegende und informative Ausstellung" in Neustadt bemüht hatte. An die Behörden war ihr Appell gerichtet, "alle Spielräume zur uneingeschränkten Integration zu nutzen“.

Dass es gerade daran mangelt, machte Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat mit haarsträubenden Entscheidungen in erster Linie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) deutlich, das trotz massiver Personalaufstockung nicht in der Lage sei, den Berg der Asylanträge abzubauen. Wenn dabei offenbar nur "Textbausteine verschoben" würden, komme es zu grauenvollen Entscheidungen der Ablehnung bis zur Abschiebung, für von der Politik auch noch die Weichen in alles andere als sichere Länder stelle.
Thal zeigte anhand von Statistiken die Verteilung der Staatszugehörigkeiten mit Syrien, Afghanistan und dem Irak an der Spitze sowie aktuelle Situation von 321.371 Flüchtlingen in Deutschland, davon 49.909 in Bayern und 6.738 in Mittelfranken, davon 384 im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim auf. "Überschaubare Zahlen und eine zu bewältigende Größe", bei der nicht von Wellen, Strömen und Krisen die Rede sein könne, wie es die Flüchtlingsgegner aus der rechten Szene noch immer glauben lassen wollten.
Der Sprecher des Flüchtlingsrates machte die politischen Bestrebungen im Wahljahr aus, "alles zu unternehmen, was die Flüchtlingszahl nach unten drückt". Er geißelte "Entscheidungen rein nach Aktenlage", zweifelhafte Anhörungen und nicht nachvollziehbare Abschiebungsbescheide und rief die Unterstützer auf, den Betroffenen beim rechtlichen Beistand zur Prüfung von Folgeanträgen zu helfen. Dass man fünf Monate auf die schriftliche Ausfertigung eines Urteils des Verwaltungsgerichtes warten müsse, wurde die Klage aus dem Zuhörerkreis damit begründet, dass die Gerichte keine Personalmehrung erfahren und zwischendurch immer wieder Eilanträge zu bearbeiten hätten. Für die psychische Belastung der Betroffenen etwa in der Hoffnung auf den Familiennachzug bleibt da kein Platz.
Immer neue rechte Initiativen
Dass sich Flüchtlingsgegner auch in immer neuen Initiativen, "die wie Pilze aus dem Boden schießen", formierten, zeigte die Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair auf. Die Kriminalstatistiken würden rechte Gewalt gegen Flüchtlinge verschweigen – von knapp 100 im Jahr 2015 auf 550 alleine in Bayern 2016 gestiegen – über die erst auf parlamentarische Anfrage informiert werde, führte Mair aus, die der "Gewalt- und Hetzwelle" berührende Einzelschicksale von Flüchtlingen ebenso gegenüberstellte, wie die großartige Arbeit der Helferkreise. Sie rief eindringlich dazu auf, "möglichst viele der geflüchteten Menschen in Sicherheit zu bringen und keine Abschiebungen mehr in Länder vorzunehmen, in denen keine Sicherheit gewährleistet" sei.
Bürgermeister Meier erinnerte daran, dass vor rund 80 Jahren "viele Menschen hier bei uns um ihr Leben und ihre Gesundheit fürchten mussten, aus Deutschland und später aus fast ganz Europa Hundertausende vor Tod und Folter durch die Nationalsozialisten flüchteten oder zumindest flüchten wollten". Dass auch damals oft nationale Gedanken über die grundsätzlichsten Menschenrechte siegten, sei "traurig genug". Umso wichtiger sei es heute, "innezuhalten, nachdenklich zu werden und zu begreifen, wie wichtig wir mit allen unseren ungeheuer großen Privilegien - mit allem, was wir an Geld, sozialer Absicherung, an Rechten und vor allen an unserer Demokratie haben – für die Flüchtlinge sind, die vieles verloren haben, nur nicht ihr Leben und ihre Gesundheit"; "noch nicht", wie Meier beschwörend einfügte.
Vom Rednerpult in den Posaunenchor
Er wünschte der zu den Dienstzeiten im Rathaus geöffneten Ausstellung viele Besucher, die wie zahlreiche Eröffnungsgäste dokumentierten, "wie wichtig ihnen diese Menschenrechte sind und damit zeigen, dass sie die grundlegenden Rechte aller Menschen nicht nur anerkennen, sondern auch aktiv und nach außen vertreten". Etwa dem Bespiel von Constanze Eckart folgend, die mal für den Unterstützerkreis am Rednerpult stand und dann in den Reihen des Posaunenchores, der für den stimmungsvollen Rahmen der Vernissage sorgte.
Bei der erinnerte Stellvertretender Landrat Bernd Schnizlein an das Schicksal von 12 Millionen Deutscher und Minderheiten, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten und in Regionen zuzogen, in denen niemand darauf vorbereitet gewesen sei. Sie hätten sich in jeder Hinsicht als Bereicherung ihrer neuen Heimat erwiesen. Eine Geschichte, die sich in vielen Facetten und Nuancen wiederholen könne, die Situation heute "weder furchteinflößend noch existenzgefährdend" sei. Wie die Caritasrepräsentantinnen und der Unterstützerkreis würdigte er die offenen Türen und Ohren im Rathaus für alle Belange der Flüchtlingshilfe.
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