Großer Bahnhof für die Historie in Gutenstetten

18.08.2013, 19:28 Uhr
Großer Bahnhof für die Historie in Gutenstetten

© Harald J. Munzinger

Noch immer fällt der Blick der Autofahrer auf der Bundesstraße 470 auf das „Bahnhofsschild“ Gutenstetten. Ein bewahrtes Relikt aus jener Zeit, in der die „Aischtalbahn“ hier auch eine wichtige Station für den Güterumschlag und für die Menschen im Aischgrund die einspurige Nebenbahn ein wichtiges Verkehrsmittel war. Wenn es Zeit für die Abfahrt von Neustadt Richtung Demantsfürth gewesen sei, sei dies den Gästen in der Neustädter Bahnhofswirtschaft mitgeteilt worden, berichtete Helmut Müller aus seiner aktiven Zeit als „passionierter Eisenbahner". Habe der Zug Neustadt angesteuert, habe Gastwirt Adolf Meinlschmidt schon mal 80/90 Seidle eingeschenkt.

Königlich-bayerisch mutet dies an, liegt aber so lange nicht zurück. Lange genug allerdings, dass vieles von der Ära der (unteren) Aischtalbahn in Vergessenheit geraten ist und als Teil der Regionalgeschichte verloren wäre, wenn es nicht „Freaks“ gäbe, deren Sammlerleidenschaft die Bewahrung wichtiger Dokumente und Utensilien zu verdanken sei, erklärte Gutenstettens Bürgermeister und Vorsitzende des Heimatvereins, Helmut Reiß, bei der Begrüßung der Gäste des „Aktiontages Aischtalbahn“. Aus den Sammlungen von Helmut Müller, Rolf Syrigos und Friedrich Schmelzer konnte eine kleine Ausstellung mit einigen Raritäten - wie etwa einem Frachtbrief von Moskau nach Demantsfürth - gestaltet werden.

Große Idee der Vorfahren

Wo sich vor der Gastwirtschaft „Feuchter Trennungspunkt“ zur ersten von drei Führungen eine große Gästeschar eingefunden hatte, war einst der Verkehr auf der B 470 vorbeigerollt, hätten Laster die Gläser im Wirtshaus wackeln lassen, drehte Reiß das Rad der Zeit bis Mitte der 70er Jahre zurück. In jene Zeit also, als mit der Einstellung des Personenverkehrs (1976) der Glanz der Aischtalbahn - „eine große Idee“ früherer Generationen - verblasste.

Schon Ende April 1869 sei mit einem Gesetz über „bayerische Nebenbahnen von lokaler Wichtigkeit...aber ohne Kostenlast für den Staat“ die Saat für die Bahngeschichte gelegt worden. Deren erstes Kapitel im Landkreis wurde nach den Ausführungen von Rolf Syrigos im August 1876 mit der Nebenbahnlinie Neustadt-Bad Windsheim geschrieben - mit 15,4 Kilometern so lang, wie der östliche „Ast“ Richtung Uehlfeld, der allerdings noch längere Zeit auf sich warten lassen sollte.

Im April 1985 habe das Bezirksamt Neustadt Pläne für die Nebenstrecke Neustadt-Forchheim mit Verlängerung nach Bamberg vorgelegt, deren Notwendigkeit zwar anerkennt worden, ihre Umsetzung aber mangels „Planungskapazitäten“ gescheitert sei. Weitere Anläufe datierten nach den Schilderungen von Rolf Syrigos 1887 und 1891. „In die Gänge gekommen“ ist das Projekt dann mit der Bewilligung der Bahnlinie mit Kosten von 931.000 Mark durch den Eisenbahnausschuss im Februar 1900. Am 13. März 1903 erfolgte der Spatenstich, am 11. Juli 1904 die Eröffnung der Nebenlinie Neustadt-Uehlfeld/Demantsfürth mit einer Reisedauer von 54 Minuten, die heute der ICE von Nürnberg nach Würzburg benötige, so Syrigos, der in Fachkreisen als „lebendes Bahngeschichtsbuch“ gilt.

Ende nicht abzuwenden

In dem blätterte er bis zur ersten Nachricht der drohenden Stilllegung der Nebenbahn am 1. Juni 1974 weiter. Diese erfolgte schließlich zum 30. Mai 1976 und konnte selbst durch die Intervention des damaligen Bundestagsabgeordneten und späteren Verkehrsministers Dr. Werner Dollinger nicht verhindert werden. Das Ende auch des Güterverkehrs sollte am 23. September 1993 besiegelt sein; im Zuge von sieben Stilllegungen von Nebenbahnen in der Bundesrepublik mit dem Schwerpunkt Bayern.

Eine Anekdote verbindet sich mit den letzten Tagen der Aischtalbahn. Ein Unbekannter hatte einen Waggon für Altkleider nach Demantsfürth bestellt, wo dieser unverrichteter Dinge nach Ablauf der Stellfrist wieder abgezogen wurde. Ob sich der geheimnisvolle Auftraggeber damit eine Gelegenheit für letzte Bilder der Aischtalbahn verschafft hatte, kann bis heute nicht ausgeschlossen werden.

Keine Überlebenschance

Die immer wieder geäußerte Mutmaßung, dass die Bahnlinie mit dem Lückenschluss nach Höchstadt eine Überlebenschance gehabt hätte, schließt Rolf Syrigos aus. Zu wenig attraktiv sei das Aischtal für einen tragfähigen Ausflugsverkehr auf der Schiene (mit einer Tageskapazität von mindestens 1000 Fahrgästen) . Auch Überlegungen einer „elektrischen Straßenbahn“ auf dem inzwischen längst verschwundenen Schienenstrang kommentierte er als unrealistisch.

Zum Austausch von persönlichen Erinnerungen an' s „Zügla nach Ifeld“ bot der Aktionstag reichlich Gelegenheit in gemütlicher Runde bei einer deftigen Bauernbrotzeit zum frischen Kellerbier oder einem Kuchen zu dem von Otto Rückert gerösteten Zichorie-Kaffee.

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