"Politischer Aschermittwoch": Moderate Töne in Dachsbach

11.02.2016, 16:35 Uhr

© Harald Munzinger

Denn die gleichen Lebensbedingungen in Stadt und Land sollten nach übereinstimmender Meinung der Landtagsabgeordneten Gabi Schmidt sowie der Kommunalpolitiker in der Bayerischen Verfassung schlummern. Obgleich der gastgebende Dachsbacher Bürgermeister Hans-Jürgen Regus, wie auch sein Hagenbüchacher Kollege David Schneider das Leben auf dem Land schätzten. Der eine in der Aischtalgemeinde mit "hervorragender Infrastruktur", aber zu verbessernder Verkehrsanbindung, der andere in einer der Wachstumsgemeinden im Speckgürtel des Ballungsraumes; dazu auch noch in einer sehr sicheren Region, wie es der ehemalige Polizeibeamte Schneider betonte.

Alles in bester Ordnung also, beim Heringsessen in der Dachsbacher "Goldenen Traube"? UWG-Kreisvorsitzender Helmut Reiß sah das Land von gleichen Lebensbedingungen noch "meilenweit entfernt", ein Vermessungsamt bestenfalls als "Beruhigungstropfen" an. Die immer schwieriger werdende ärztliche Versorgung, der schleppende Breitbandausbau, Herausforderungen bei den Kläranlagen wie bei der Wasserversorgung und eine überbordende Bürokratie kamen am "politischen Aschermittwoch" ebenso zur Sprache, wie die Knüppel, die den Gemeinden ausgerechnet von der Verwaltung in den Weg gelegt würden, die sie über die Kreisumlage mitfinanziere. Es gehe wesentlich schneller, wenn das Amt etwas wolle, als umgekehrt, stellte Reiß fest.

"Eher eine schlechte Show"

Gleich drei Abgeordnete sollten seiner Meinung nach eigentlich eine Chance für die Region sein, doch sorgten Jeder gegen Jeden "eher für eine schlechte Show", bemängelte es der UWG-Vorsitzende mit dem besten Beispiel politischer Ränke um die "vom Staat verschlampten" Dachsbacher Brücken und der Schelte für Gabi Schmidt, sich hier über den Petitionsausschuss für eine - nun schließlich gute - Lösung eingesetzt zu haben. Sie erklärte davon unberührt, dass sie auch weiter kämpfe, wenn jemand Hilfe brauche: "Ich mache das wahnsinnig gerne".

Der Langenfelder Bürgermeister Reinhard Streng sprach sich dafür aus, Veränderungen selbst in die Hand zu nehmen, "mit bürgerschaftlichem Engagement Lösungen – bis hin zur Finanzierung – selbst zu entwickeln". Allerdings müssten bürokratische Hemmnisse angebaut, Standards herabgesetzt werden, um etwa Einrichtungen, wie eine Arztpraxis und physiotherapeutische Praxis als "Gemischtwarenladen" betreiben zu können. Langenfelds Handeln in Zeiten des demografischen Wandels sowie bei Fragen der Nahversorgung sollte für die Kommunen als beispielhaft gelten.

Streng machte deutlich, dass Wachstum – wie in Hagenbüchach – ein Luxusgut sei, man überwiegend den Bevölkerungsverlust und das Schwinden von Infrastruktur begrenzen müsse. Denn dies habe gravierende Folgen bei der Verteilung von Kosten auf weniger Menschen.

Dass notwendiges Handeln der Kommunen erleichtert würde, wenn Gemeinden Budgets zur Verfügung hätten und über ihre Entwicklung mit der Stärkung der Daseinsvorsorge selbst entscheiden könnten, sprach sich die Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt für diese aus. Stattdessen finanzierten die Kommunen über die Kreisumlage die staatlichen Dienste im Landratsamt. Zwangsvorgaben zu reduzieren und Förderungen zu forcieren sowie zu beschleunigen war ihre Botschaft an die Franken, die "gemeinsam für eine Stärkung der Region schreien" und offen sagen müssten, was nicht passt.

Unterschriften gegen BR-Pläne

Das konnten die zahlreichen Gäste der Veranstaltung gleich mit ihrer Unterschrift gegen Pläne des Bayerischen Rundfunks, die Volksmusik aus dem normalen Programm zu nehmen. Und auch gegen den Einfluss von Schiedsgerichten auf kommunales Handeln durch "TTIP" betonte Schmidt ihr entschiedenes Nein, die im Vergleich von München und dem Landkreis unter anderem bei der Förderung von Verkehr und Kultur "ein absolutes Ungleichgewicht" und damit auch Ursachen für die Landflucht ausmachte.

Die aktuelle Debatte um die Dachsbacher Windräder mochte für die UWG-Politiker nicht zur zwingenden Notwendigkeit der Alternativen zur Atomenergie passen. Man solle "den fränkischen Wind rau aber herzlich wehen lassen", erklärte Helmut Reiß und wies auf stattliche Einspeisevergütungen und gravierende CO2-Entlastung hin. "Windräder bedrohen niemanden". So war Bürgermeister Regus auch zweieinhalb Jahre lang von der Meinung in der Bevölkerung ausgegangen, deren gesamte Stromversorgung ein einziges Windrad sichern könnte, bis starker Gegenwind aufkam. Wie es beim Bürgerbegehren am 13. März entschieden werde, wird es gemacht, bemühte er sich um eine emotionslose Situationsanalyse.

Als ein "Stück Merkel-Politik" bezeichnete es Bürgermeister Schneider bei kurzen Betrachtungen der inneren Sicherheit, dass sehr viele Flüchtlinge unkontrolliert ins Land gekommen seien. Landtagsabgeordnete Gabi Schmidt gab Eindrücke in Flüchtlingslagern sowie an der Grenze wieder, bedauerte die Polizisten, die dort oft weit von den Heimatstandorten ihren Dienst verrichten müssten. Das Geld für den G7-Gipfel wäre in die Nachbesserungen bei der inneren Sicherheit besser investiert gewesen, die sie schon vor anderthalb Jahren mit der deutlichen Stellenmehrung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefordert und sich dafür einen Rüffel des Ministerpräsidenten eingehandelt habe, erklärte Schmidt. Wenn dieser heute von einem Unrechtsstaat spreche, müsse er sich bewusst sein, "dass 56 CSU-Abgeordnete im Bundestag sowie drei Minister und drei Staatssekretäre der Partei Teil dieses Unrechts" seien.

Bei der Bewältigung der Flüchtlingszahlen hätte sich Schmidt von Europa die gleiche Energie wie bei der Griechenlandkrise gewünscht, die beim kurzen Ausflug in die "große Politik" vorschlug, den "Soli" in Bildung und Wohnungsbau zu stecken.

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