Spitzenpolitiker Özdemir und Schulze bei Weinfest in Weigenheim
17.8.2018, 19:49 UhrFür den sorgten zudem die „Rossinis“, die mit fetzigen Rhythmen im Festzelt kräftig „einheizten“, in dem für einen Hauch Frischluft mit dem Werbematerial der Grünen um die Wetter gefächelt wurde. Schade fand man im Publikum, dass das eifrig getretene Energierad keinen Ventilator antrieb, das die Grünen Stadträte aus Neustadt mitgebracht hatten. Bund Naturschutz sowie fair gehandelte Produkte fanden viel Interesse und den Weinbauverein sowie der Sportverein Weigenheim hohe Anerkennung für die Ausgestaltung des festlichen Rahmens des Abends, den Bezirkstags-Direktkandidatin Ruth Halbritter und Landtagskandidat André Höftmann moderierten.
Elke Klemenz von der Fürther „FARCAP GmbH“ schickte die Weinprinzessinnen in ansprechenden Kreationen fair produzierter Mode auf den „Laufsteg“, womit die Grünen ein vielbeachtetes Zeichen gegen vielfach unter unmenschlichen Bedingungen produzierte Kleidung setzten. Auch die fünfjährige Diana marschierte chic durch das dichte Zuschauerspalier.
Durch das waren zuvor der nach dem aktuellen Politbarometer zweitbeliebteste Bundespolitiker, Cem Özdemir, in das Festzelt eingezogen, vor dem er zuvor mit der Landtagsspitzenkandidatin Katharina Schulze und weiteren KandidatInnen einen offenen Bürgerdialog führte. Kurz kam es zu einem Gespräch mit Landrat Helmut Weiß, ehe für zahllose Kameras und Selfies gelächelt und aufmerksam zugehört wurde, was Gäste oder Weigenheims Bürgermeister Rainer Mayer in seiner Begrüßung zu sagen hatte. Seim Wunsch nicht über Flüchtlinge zu reden, da es „auf dem flachen Land ganz andere Probleme“ gebe, erfüllte sich zwar nicht, doch sollten von Katharina Schulze und Cem Özdemir auch viele dieser Probleme angesprochen werden.
Bürgermeister kontra AfD
Der parteilose Bürgermeister beklagte die Millionen Tonnen weggeworfener Lebensmittel, die Landwirte mit viel Mühen erzeugten, als ein Problem, das Politik und Landwirtschaft gemeinsam angehen müssten. Mayer rief die Grünen aus, bereit zu sein, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Nur wer am Steuer sitze, könne den Kurs des Bootes bestimmen. Seine klare Absage an die AfD mit ihren Spitzenkandidaten Raimund Swoboda - dem man als ehemaligen Polizeichef Erschwernisse bei Festlichkeiten verdanke - wurde von frenetischem Beifall begleitet.
Für Katharina Schulze, von ihren Anhängern schon als künftige stellvertretende bayerische Ministerpräsidentin gesehen, wird „in 59 Tagen die absolute Mehrheit der CSU Geschichte in unserem Land sein“, der Glanz von Sonnenkönig Söder verblassen, wie Kollege Özdemir die „die Dämmerung der CSU“ und das „Ende des Söderspuks“ beschwor. Die Menschen hätten mehrheitlich „keine Lust mehr auf Hass und Angstmacherei, wollen eine Politik, die Mut macht“. Darauf hätten die großartigen Menschen, die sie auch in Weigenheim angetroffen habe, ein Recht, so Schulze.
Hälfte der Macht für Frauen
Die Demokratie auch mit einer „Brandmauer gegen rechts“ zu verteidigen, Freiheit und Sicherheit ebenso zu schützen wie das Klima, den Flächenfraß und das Zubetonieren der schönen Heimat zu stoppen sowie für gleichwertige Lebensgrundlagen zu sorgen, hat sich Schulze auf die Wahlkampffahnen geschrieben, die sie mit der Forderung schwang, die Hälfte der Macht den Frauen zu übertragen. Die Freiheitsrechte der Bürger nicht einzuschränken, sondern die Polizei mit mehr Personal modern auszustatten, um auch die Cyber-Kriminalität bekämpfen zu können, statt 200 Pferde anzuschaffen, 200 IT-Spezialisten einzustellen, stimmte ihr das Publikum mit Beifall zu.
Mit Grenzkontrollen aufzuhören, rief Katharina Schulze ins das Weinzelt, „dass wir unser Europa von niemand kaputt machen lassen“. Man wolle keine österreichischen Verhältnisse und keine getarnten Nazis in der Regierung. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, dem, niemand seine Demut abnehme, sah sie bestenfalls als „Erlöser von der Mehrheit der CSU“. Da es in Bayern noch viel zu tun gebe und diese für „ein menschliches Bayern in Europa“ stehe, warb Schulze bei der Landtagswahl um beide Stimmen für die Grünen. Und Cem Özdemir empfahl den Wählern die temperamentvoll auftretende „großartige Kata, die nicht nur äußerst sympathisch sondern auch blitzgescheit“ sei.
Hymne für den Club angestimmt
Der Politprofi aus Schwaben wusste, wie man mit dem Lob des Weines in einem Winzerort und der Hymne auf den Club im Fußballfranken punktet, dem er den Verbleib in der ersten Liga wünschte: „Die Rolles des Deppen ist ja nun anders vergeben?“ Ein Orakel, während es für ihn Fakt war, dass sich deutsche Nationalspieler nicht mit autokratischen Herrschern ablichten lassen dürften, was auch für Matthäus mit Putin gelte, an den er das Land durch Altkanzler Schröder verkauft sah. Mit Katharina Schulze, die auch in Bayern die 3+2-Regelung - für drei Jahre Ausbildung und anschließend zwei Jahre Arbeit - warb, stimmte Özdemir beim Thema Asyl überein: „Weg von der Ideologie, hin zur pragmatischen Politik“. Als „Schwachsinn pur“ bezeichnete er es, Asylbewerber nicht arbeiten zu lassen, während Unternehmen und Gastronomie händeringend Arbeitskräfte suchten.
Özdemir forderte „endlich ein Einwanderungsgesetz“ und richtete in Bezug auf Minister Seehofer die Botschaft aus dem Weinfestzelt nach Berlin, dass „Schluss sein muss mit der Eitelkeit älterer Herren“. Mit seiner Einschätzung über Alexander Dobrindt als „Deutschlands unfähigstem Minister“ setzte er - „beifallssicher – den nächsten groben Klotz nach, wünschte sich bei der „Lichtgestalt Scheuer“ als dessen Nachfolger Edmund Stoiber zurück, der mit den Lederhosen wenigstens Laptops verbunden habe, während unter den genannten Herren das schnelle (Glasfaser-)Internet ebenso auf der Strecke geblieben sei, wie die Elektrifizierung der Bahn und ein zeitgemäßer ÖPNV für gleiche Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
Klimaschutz in die Hand nehmen
Dass statt der Landwirtschaft die Agrarindustrie gefördert worden und selbst beim drastischen Klimawandel für die Regierung der Kohleausstieg kein Thema sei, beklagte der Grüne Spitzenpolitiker. Es gelte die Fahne für den Klimaschutz in die Hand zu nehmen. Özdemir stemmte sich gegen die „Zerstörung der liberalen Demokratie“ und forderte zur Lösung der akuten Probleme ein starkes geeintes Europa, das nicht zwischen China und den USA zerrieben werden dürfe.
Während Cem Özdemir die CSU der „Abteilung Nostalgie“ zuordnete, versprach er, dass mit den Grünen der Standort Deutschland nicht stehen bleibe. Zugleich gelte es überall dafür zu sorgen, dass die Völker menschenwürdig leben könnten, ihre Lebensgrundlagen nicht zerstört würden. Der Kuschelkurs mit autokratischen Herrschern müsse vorbei sei, meinte er im Bezug an die bevorstehenden Besuche von Putin und Erdogan, riet dazu, statt Orban dessen Opfer einzuladen. Mit einem Beitrag zur politischen Kultur möchte Özdemir das Interesse der Jugend an der Politik zurückgewinnen. Für die Landtagswahl in Bayern wünschte er sich mit Katharina Schulze „starkes Grün, weniger Schwarz und möglichst kein Braun“.
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